Stadtrevue liest
Jean Malaquais: »Planet ohne Visum«
»Schiffbrüchige auf der Suche nach Rettung« stehen Tag für Tag in der Warteschlange der Abteilung für Visums- und Passangelegenheiten der Präfektur von Marseille und hoffen auf die Stempel und Formulare, die sie aus Vichy-Frankreich ins sichere Ausland bringen können. Das Ehepaar Haenschel trifft auf einen jungen Beamten, der ihnen eine rettende Unterschrift zur Ausreise fälscht — Liese Maria Rahel war vom deutschen Kommissariat für Judenfragen als Jüdin gestempelt, denen 1942, Monate vor der endgültigen Besatzung der Freien Zone in Frankreich durch die Deutschen bereits die Ausreise verboten war. »Planet ohne Visum« von Jean Malaquais, der, 1947 in Frankreich erschienen, nun in einer hervorragenden Übersetzung zum ersten Mal auf Deutsch vorliegt, gibt den in Marseille auf der Flucht vor den Nazis Gestrandeten eine Stimme. Da sind ein von Geflüchteten kollektiv geführter Bäckereibetrieb, ein amerikanischer Kriegskorrespondent, der in einer Hilfsorganisation Visa besorgt, Résistancekämpfer, Schmuggler und viele mehr, die im Roman eigene Erzählstimmen bekommen, die sich immer wieder zu einem großen Lärm vermischen, der die Situation in der Hafenstadt Marseille jener Tage spiegelt.
Edition Nautilus, 664 Seiten, 32 Euro