»Es muss mehr Leichtigkeit geben«
Herr Knüvener, Herr Plato, was haben Architekten eigentlich mit dem öffentlichen Raum zu tun?
Thomas Knüvener: Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner sind ja ausgebildet, Räume zu erschaffen — dazu gehören aber nicht nur Gebäude, sondern auch Plätze. Wenn Räume nur funktional-technisch geplant werden, ist das ein Problem. Weil es dann vorrangig um Verkehrstechnisches geht und die Aufgabe weniger von der räumlichen, ästhetischen Seite angegangen wird.
Wir waren gerade gemeinsam am Friesenplatz. Waren dort Architekten am Werk?
Knüvener: (lacht) Da waren keine Architekten am Werk.
Ingo Plato: Architekten können auch nur das machen, was in der Bauaufgabe ansteht. Das Problem ist, dass es zu wenige geregelte Verfahren gibt, um im öffentlichen Raum Qualität zu schaffen.
Manche Orte sind aber doch auch Räume, die man nur durchquert.
Plato: Ja, aber auch die könnten attraktiv gestaltet sein, so dass man sie gern durchquert und gut und sicher da durchkommt. Aber natürlich ist all das ein hoher Planungsanspruch.
Nun hat der Friesenplatz offenkundig viele Defizite, ähnlich wie der Barbarossaplatz und andere große Plätze und Straßenzüge in Köln. Die Initiativen, die Sie ins Domforum einladen, kümmern sich aber vor allem um ihre Veedel.
Plato: Ja, unser Fokus liegt bewusst auf den kleinen Räumen in den Stadtvierteln. Wir wollen einigen Initiativen die Möglichkeit geben, sich vorzustellen. Dazu haben wir Professionals eingeladen, die deren Erfahrungen einordnen und partizipative Modelle vorstellen, die derzeit unter Fachleuten diskutiert werden. Gemeinsam mit den Initiativen wollen wir herausfinden, in welche Richtung es weitergehen kann mit den Ideen der Menschen vor Ort.
Knüvener: Wir sind neugierig, was die Initiativen verbindet, wie sie arbeiten. Manche sind schon lange aktiv, andere haben gerade erst angefangen. Manche haben schon vieles erreicht, andere nicht so sehr. Woran liegt das? Was führt zum Erfolg? Oder ist das Zufall?
Oft beklagen Initiativen, sie würden im Rathaus nicht gehört.
Plato: Der Startpunkt für viele Initiativen ist, dass sie sich fragen: »Was soll das hier in unserer Straße eigentlich sein? Das hat doch keine Qualität. Wir können das viel besser haben, aber wer hilft uns?« Hindernisse müssen abgebaut werden, damit Ideen nicht verloren gehen, sondern diskutiert werden. Die Stadt müsste den Initiativen sagen: »Wir tragen euch durch den Prozess, wir erörtern das alle gemeinsam.« Das hieße dann natürlich auch, dass Initiativen akzeptieren, wenn ihre Ideen nach einer Prüfung schließlich abgelehnt werden. Aber wenn es gut ist, dann muss es auch umgesetzt werden!
Knüvener: Unsere Veranstaltung steht unter dem Titel »Einfach machen«, und dabei sind beide Wörter wichtig. Es gibt in Köln so viele Orte, an denen es einfach wäre, etwas zu verbessern — nicht alle Orte sind so komplex wie die Situation am Friesenplatz, Ebertplatz, Barbarossaplatz. Man braucht nicht für jeden Straßenzug, jede kleine Kreuzung einen Architektenwettbewerb.
Wir erleben ja durch die Pandemie, dass vieles ausprobiert wird, wenngleich notgedrungen. So wurden Parkplätze zu Flächen für die Gastronomie.
Knüvener: Daran sieht man: Wir brauchen einfache, schlanke Verfahren, um alltägliche Räume umzugestalten. Dafür braucht man nicht erst breit angelegte Stadtteilkonzepte, die drei Jahre dauern, um dann eine Kreuzung umzugestalten.
Plato: Wenn so etwas so lange dauert, nimmt man den Initiativen, die das alles ehrenamtlich machen, sofort den Wind aus den Segeln. Es kann auch nicht sein, dass die Initiativen dann schauen müssen, wen sie am besten ansprechen und bei welchem Amt sie gehört werden, bloß um dann eine Sitzbank aufstellen zu dürfen. Es muss eine gewisse Leichtigkeit her. Es darf da nicht immer gleich die Angst sein, der Straßenraum würde gestört.
Ich sehe den öffentlichen Raum als Plattform. Man muss ja nicht gleich alles festbetonieren, man kann mit flexiblen Elementen arbeiten
Ingo Plato
Also mehr Mut, etwas auszuprobieren?
Plato: Ja, man muss auch mal gewisse Dinge wagen. Vielleicht stellt man dann nach einer Pilotprojektphase tatsächlich fest, dass es nicht gut lief, aber das muss man ja erst mal herausfinden. Ich sehe den öffentlichen Raum als Plattform. Man muss ja nicht gleich alles festbetonieren, man kann mit flexiblen Elementen arbeiten. Man kann Änderungen auch befristen, wie etwa die Möblierung an der Ehrenstraße oder der Deutzer Freiheit.
Knüvener: Das ist ja längst unter Planern ein Thema, da tauchen dann Begriffe wie tactical urbanism auf. Wir sind natürlich auch Gestalter, wir Architekten achten auf ästhetische Aspekte. Aber oft sind die Eingriffe harmlos: Soll da ein Auto parken? Oder lieber sechs Fahrräder? Oder stellt man Bänke hin? Um das schnell zu entscheiden, ließen sich Methoden entwickeln. Vielleicht reicht es, wenn man Unterschriften aus der Nachbarschaft sammelt? Klar ist aber auch: Es kann nicht sein, dass nur bestimmte Gruppen ihre Interessen durchsetzen.
Beachten Politik und Verwaltung eher Initiativen aus der Innenstadt als jene am Rand der Stadt?
Plato: In der Innenstadt kulminieren viele Probleme, und der Druck, etwas zu ändern, wird dort als besonders hoch empfunden. Ich glaube aber, dass der Erfolg für Initiativen überall möglich sein kann. Doch es gibt natürlich Stadtteile, die nicht so sehr im Fokus stehen, zumal, wenn dort die Menschen das Sprachrohr nicht so formen können, wie das andere können, damit die Stadt auf deren Anliegen reagiert. Aber eine Stadt bekommt keine Qualität, wenn nur im Zentrum alles toll ist.
Knüvener: Es gibt am Stadtrand auch nicht bloß abgehängte Viertel, sondern auch Viertel mit vielen großen privaten Freiflächen. Und das kann auch dazu führen, dass der Druck auf den öffentlichen Raum dort geringer ist — zumindest tendenziell. Denn wer einen schönen großen Garten hat, wohin er sich zurückziehen kann, dem ist es vielleicht weniger wichtig, wie es in der Umgebung aussieht.
Etwas verbindet die allermeisten Initiativen: Sie bemängeln zu viel Autoverkehr und Lärm und zu wenig Raum für Begegnungen.
Knüvener: Verkehr und öffentlicher Raum stehen grundsätzlich in einem Spannungsfeld. Das betrifft auch den ruhenden Verkehr. Der Raum ist oft vollgestellt, vor allem mit Autos, aber immer öfter auch mit Fahrrädern, so dass man als Fußgänger kaum noch durchkommt. Man muss das regeln, anders geht es nicht. Aber öffentliche Räume erfüllen auch unterschiedliche Funktionen. Der Ebertplatz etwa wirkt ruppig, viele Menschen durchqueren ihn nur, es ist laut, er wird vom Autoverkehr umspült. Aber bloß ein paar Meter weiter liegt im Agnesviertel der Sudermanplatz, der ganz anders ist: umgrenzt, ruhig, Erdgeschossnutzung. Wir brauchen diese unterschiedlichen öffentlichen Räume, sie bilden ein System. Auf einem großen Platz akzeptiert man auch eher den Lärm, aber die anderen, die ruhigen Plätze, braucht man auch.
Immer mehr Menschen leben in der Stadt, kaum jemand hat einen eigenen Garten, man sucht andere Räume, in denen man sich
aufhalten kann
Thomas Knüvener
Den Initiativen fehlen offenbar diese ruhigeren Plätze. Da ist der Wunsch nach »Aufenthaltsqualität«. Aber was ist das eigentlich?
Plato: Wer durch die Straßen geht, wird von allen möglichen Eindrücken traktiert und das prägt unsere Interaktion. Wenn man Räume als angenehm empfindet, steigt auch die Bereitschaft, sich mit anderen zu verständigen, aufeinander zuzugehen, teilzuhaben. Aufenthaltsqualität — das ist eine Art Verhaltenskodex, der durch gestaltete Räume aufgestellt wird und der zu Nachbarschaft, zu Identität führt und eben dazu, dass man sich wohlfühlt und sich kümmert.
Knüvener: Immer mehr Menschen leben in der Stadt, kaum jemand hat einen eigenen Garten, man sucht andere Räume, in denen man sich aufhalten kann. Das ist dann oft ein Platz oder der Straßenraum, vor dem man wohnt. Die Pandemie hat gezeigt, wie schwierig es ist, sich draußen zu treffen. Der öffentliche Raum ist oft schon besetzt, ist nicht ansprechend, es gibt keine Möglichkeit sich, dort länger aufzuhalten.
Plato: Zu viel attraktiven öffentlichen Raum kann es zwar eigentlich nicht geben, aber doch zu viele Events, zu viel Publikum, zu viel Lärm. Öffentlicher Raum kann auch eskalieren, etwa am Brüsseler Platz. Das heißt aber nicht, dass man abends um acht die Bürgersteige hochgeklappt.
Welche Bedeutung hat eigentlich der Klimaschutz für Initiativen? Der ist ja ein starkes Argument für mehr Grün, also mehr Aufenthaltsqualität.
Knüvener: Es ergibt natürlich Sinn, dass man Flächen entsiegelt — damit Regenwasser versickern kann, damit Bäume Schatten spenden und überhaupt Pflanzen Sauerstoff produzieren und die Luft kühlen. Auch das führt alles zu mehr Aufenthaltsqualität. Klimaschutz sollte aber nicht nur das Anliegen der Initiativen bleiben, Stadt und Politik haben schließlich 2019 den Klimanotstand ausgerufen.
Plato: Klimaschutz und öffentlicher Raum ist für viele, die aus ihrem privaten Korridor hinausschauen, ein riesiges Thema. Das ist für eine Stadtverwaltung, neben den klassischen Bauaufgaben wie etwa Schulbau, natürlich eine gigantische Aufgabe. Aber die Stadt müsste auch viel rigorosere und präzisere Vorgaben machen.
Aber viele Ziele von Initiativen kollidieren auch: Mit mehr nächtlicher Beleuchtung wird das Gefühl von Sicherheit im öffentlichen Raum gestärkt, sie ist aber nicht gut für die Tierwelt. Oder Außengastronomie: Sie belebt Viertel, stört aber Anwohner, und die Fußwege werden enger und werden etwa für Menschen mit Behinderung ein Problem.
Plato: Es gibt so viele Initiativen, die sich aus unterschiedlichen Gründen mit unterschiedlicher Motivation gründen. Unsere Veranstaltung am 17. Oktober ist auch die Gelegenheit, sich auszutauschen, miteinander ins Gespräch zu kommen, voneinander zu lernen. Wir wollen auch schauen, was wir erreichen können, wenn wir alle mit einer neuen Leichtigkeit an das Thema herangehen. Denn die prägt ja auch die Identität einer Stadt und deren Atmosphäre. Dann kommt man in Städte und fühlt sich sofort wohl, es ist entspannt.