Deutscher Kaviar
Vorab muss zunächst klargestellt werden, dass das Kunstmuseum Bonn ganz sicher nicht zu den ausgewiesenen großen Sammlungsstätten für Fotografie zählt. Waren es doch eher Zufälle, Gelegenheiten und glückliche Umstände, die dem Haus im Laufe der Zeit die ein oder andere künstlerische fotografische Arbeit bescherte. Vielleicht gerade deshalb ist die aktuelle Foto-Ausstellung aus dem Sammlungsbestand unbelastet von einem Anspruch, die Entwicklung eines künstlerischen Mediums repräsentativ abdecken zu wollen. Es sind die unerwarteten Überraschungen, die hier Freude bereiten.
Natürlich, die Klassiker der neueren Foto-Kunst sind mit Werken von Bernd und Hilla Becher, Andreas Gursky, Thomas Struth und Wolfgang Tillmans durchaus vertreten. Aber der eigentliche Kracher der Ausstellung bilden die zahlreichen Bildserien aus der rheinischen Kunstszene vornehmlich aus der Mitte der 1970er Jahre. Hier spielt die Musik! Zu verdanken ist dieses bemerkenswerte Konvolut der Schenkung aus dem Nachlass der umtriebigen Galeristin und Mäzenin Ingrid Oppenheim, in deren legendärem Videostudio die ersten Tapes von Ulrike Rosenbach, Klaus vom Bruch und Marcel Odenbach entstanden.
Die Protagonisten aus Kölner Ateliers oder der Düsseldorfer Akademieklasse von Joseph Beuys präsentieren sich hier als »Kinder des Olymp«, so auch der Titel einer 20-teiligen Bilderserie von Klaus vom Bruch, der seine Künstlerfreunde in der Akademie, bei Künstlerfesten oder Performances und Ausflügen in spontanen Aufnahmen festhielt. Eine Tüte Konfetti ist dieser Serie beigefügt und verweist auf den lustvollen, hedonistischen Aufbruchsgeist, der unter den Gleichgesinnten vorherrschte. In einer Bilderwolke aus insgesamt 201 Abzügen liefert Achim Duchow eine Schnappschussserie aus dem Dunstkreis der Künstlerkommune um Sigmar Polke.
Weitere Künstler erweisen sich als Chronisten ihrer Szene: Denkwürdig die Fotoserie, die Ulrike Rosenbach vom »Womans Breakfast« im Stanford Hotel aus Anlass des ersten Besuchs von Joseph Beuys in New York knipste. Katharine Sieverding und Jürgen Klauke sind ebenfalls mit herausragenden frühen selbstinszenierenden Bildtableaus vertreten und verhandeln die Frage, wie Identität sich konstituiert und inwieweit sie abhängig ist vom Blick der anderen — wenn man vom Subjekt zum Objekt wird. Selbstvergewisserung und Befragung des Mediums gehen hier in souveräner Manier Hand in Hand.
Kunstmuseum Bonn, Museumsmeile / Helmut-Kohl-Allee 2, Bonn, Di–So 11–18 Uhr, Mi 11–21 Uhr, bis 16.10.