Goyas Hund
Die Ausstellung der Wiener Malerin Martha Jungwirth in der Kunsthalle Düsseldorf ist ein Geschenk. Im letzten Herbst wurde die 82-Jährige mit dem Großen Österreichischen Staatspreis geehrt, zuvor hatte sie bereits den Oskar-Kokoschka-Preis für ihr Lebenswerk erhalten. Doch es entsteht nicht der Eindruck, dass sich diese Künstlerin zur Ruhe setzen will.
Erwartungen zu entsprechen, ist ohnehin nicht ihre Sache. So sind für den großen Auftritt von Martha Jungwirth im Rheinland nicht die explosiven Farbkompositionen ausgewählt, mit der ihre gestisch-abstrakten Werke mittlerweile auch international auffallen. Die Auswahl stellt aktuelle Arbeiten in den Mittelpunkt, die unter dem Eindruck einer krisengeschüttelten Zeit ein weniger leuchtendes Kolorit verpasst bekommen haben und uns spröder, reduzierter, mitunter auch gegenständlicher begegnen. Wobei das Gegenständliche stets im Hintergrund ihrer Aquarelle und Ölbilder steht: Gesehenes oder Erfahrenes gibt den Impuls für eine Bildidee, die sich im Malprozess in etwas Eigenständiges entwickelt.
Inspirationsquelle für eine Bildserie aus diesem Jahr war Francisco de Goyas »Der Hund« (1820-1823). Nur der Kopf des Tieres im Profil ist in einer leeren, kaum definierten Umgebung zu sehen. Bei Martha Jungwirth kontrastieren auf dem großformatigen hellbraunen Malpapier dunkle und hell abgetönte Farbsetzungen, die teils übereinander gemalt oder linear akzentuiert sind. Es sind vor allem die Farben, die sie interessieren und die sie, wie sie sagt, »mit einer Geste aus dem Körper heraus auf die Fläche« bringt. Sie verdichten sich in ihren Werken und entlassen einander in die Offenheit der Bildfläche. Aus der konkreten Anregung »formt sich etwas Neues«, dessen Vollendung sich der Künstlerin so unvermittelt zeigt, dass sie die überschüssige Energie noch auf Papierresten oder alten Rahmenrückseiten loswerden muss.
Eine Gruppe expressiver, kleinformatiger Ölbilder trägt den Untertitel »Corona-Tagebuch«. Martha Jungwirth wirkt für einen Moment sehr fragil, wenn sie von dieser Zeit der Isolation erzählt, in der die alltäglichen Erlebnisse fehlten und die Erinnerung viel Raum erhielt. Die 1986 entstandene kleine Porträtserie ihres verstorbenen Ehemannes Alfred Schmeller mag davon berichten. Die Ausstellung vereint aktuelle Bilder und frühere Arbeiten. Dadurch vermittelt sie eine Bandbreite des Werkes und zugleich seine Konsequenz, die frappierend wirkt.