Für die Tonne
Noch ist es freiwillig, aber bald könnte die Tonne für biologisch verwertbaren Abfall in Köln zur Pflicht werden. Ein Pilotprojekt soll zeigen, wie sich die Anschlussverpflichtung einer Bio-Tonne »auf die Menge und Qualität des gesammelten Biomülls« auswirken würde. Dafür sollen in einem Testgebiet alle privaten Haushalte die braune Tonne bekommen — ob sie wollen oder nicht. Das hat der Betriebsausschuss Abfallwirtschaftsbetriebe der Stadt Köln Ende September beschlossen.
»Ziel ist, möglichst viel Müll einer stofflichen Verwertung zuzuführen und möglichst wenig in die Müllverbrennung zu geben«, erklärt Christian Achtelik. Er ist Ratsmitglied der Partei Volt, von der die politische Initiative ausging. »Bei regenerativen Energien sehen wir im Bio-Müll noch großes ungenutztes Potenzial.« Zwar könnten schon heute alle Kölner von den Abfallwirtschaftsbetrieben (AWB) eine Bio-Tonne aufgestellt bekommen. Davon machten 2021 aber nur 65 Prozent der Haushalte Gebrauch. Auf diese Diskrepanz zielt Volt mit dem Antrag, der im Ausschuss von den Bündnispartnern Grünen und CDU mitgetragen wird. Volt-Politiker Achtelik ist von der Anschlusspflicht überzeugt. »Wenn man sich anschaut, dass in 306 Kommunen und damit 77 Prozent der Gemeinden in NRW ein Benutzungszwang vorliegt, gehe ich davon aus, dass das Modellprojekt erfolgreich verlaufen wird.« Auch außerhalb von NRW setzen immer mehr Kommunen auf die Pflicht zur Bio-Tonne, in Berlin etwa gilt sie seit 2019.
Bei regenerativen Energien sehen wir im Bio-Müll noch großes Potenzial
Christian Achtelik, Volt
Bei der Stadt Köln und ihren Tochterunternehmen begrüßt man den Vorstoß — zumindest im Grundsatz. Köln ist seit Jahren bemüht, mehr Menschen für die Bio-Tonne zu gewinnen. Seit 2017 ist die Anschlussquote jährlich um rund 1,4 Prozent gestiegen. Die Verwaltung setzte auf Aufklärung und beteiligte sich etwa 2019 an der »Aktion Biotonne Deutschland«. Die Anschlussquote in den Kölner Außenbezirken ist vergleichsweise hoch — nicht aber im Stadtzentrum. Das liegt an der dichteren Bebauung, aber auch daran, dass Mieter nur mit der Zustimmung ihres Vermieters eine Bio-Tonne aufstellen lassen können. Mal sind die Vermieter nicht willens, mal scheuen die Mieter den Aufwand.
Doch auch ein Anschlusszwang könnte Schwierigkeiten mit sich bringen. Neben Platzmangel für die zusätzliche Tonne liegt das an der Qualität der Abfälle. »Biomüll ist ein biogener Rohstoff, der nur optimal genutzt werden kann, wenn er möglichst frei von sogenannten Störstoffen ist«, teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage mit. Bislang nimmt Köln bei der Qualität des Bioabfalls mit rund einem Prozent Störstoffanteil eine Spitzenposition unter deutschen Großstädten ein.
Um die fürchtet man bei der Abfallverwertungsgesellschaft (AVG). Die städtische Tochter betreibt in Niehl eine Vergärungsanlage, in der man aus dem Bio-Abfall der AWB zunächst Bio-Gas und durch weitere Aufbereitung Bio-Methan gewinnt. 2021 wurden rund 9.300 Megawattstunden ins kommunale Gasnetz eingespeist. Zudem entsteht aus Bio-Abfall Dünger. Die AVG sorgt sich nun, dass die Qualität des Bio-Mülls und damit die Effizienz der Verarbeitung leiden, wenn die Bio-Tonne zur Pflicht wird. Denn wer die braune Tonne nicht freiwillig nutzt, geht womöglich weniger gründlich bei der Mülltrennung vor.
In der Politik nimmt man die Bedenken ernst. »Wenn sich zeigen sollte, dass wir die Qualität des Bio-Mülls ruinieren und die hochwertige Weiterverarbeitung nicht mehr stattfinden könnte, bin ich der Letzte, der auf den Anschlusszwang besteht«, sagt Christian Achtelik von Volt. Er sieht allerdings größere Chancen als Risiken und setzt im Rahmen des Projekts, das Anfang 2023 in einem oder mehreren Veedeln mit »heterogener Wohnstruktur« beginnen könnte, auch auf eine Informationskampagne vor Ort.
Wenn man von der Annahme ausgehe, dass 40 Prozent des Restmülls Bio-Müll sind und ganz Köln den Bio-Müll sorgfältig trenne, würde laut AWB die Kapazität der Anlagen nicht ausreichen. »Da werden wir so schnell nicht landen«, so Christian Achtelik. »Aber das zeigt: Es liegen viele Potenziale brach.«