Sympathische Kommunistin?
Mit Svea Mausolf über ihre Kunst zu sprechen, birgt einige Gefahren. Das liegt weniger an ihr selbst als an den Themen, die sie tagtäglich adressiert, denn Svea Mausolfs Kunst wird via Instagram veröffentlicht. Dort postet sie über die kleinen und großen Eigenheiten, Ungerechtigkeiten und desillusionierenden Momente, die man als junge Künstler*in erleben kann. Mit ihren Posts ist sie zu einem Sprachrohr einer ganzen Generation von Kunstschaffenden geworden, die an den Hochschulen und Akademien sitzen oder in Neben- und Brotjobs auf den Durchbruch warten — oder zumindest darauf, von ihrer Kunst leben zu können.
Brisant wird ihre Kunst, weil hier und da auch deftig ausgeteilt wird. Mausolf adressierte vor allen Dingen in den letzten Wochen häufig zwei bekannte Gesichter der Kunstwelt: Die Sammlerin Julia Stoschek und den Galeristen Johann König. Während Stoschek ob ihrer Familiengeschichte ins Zwielicht geraten ist, wurden gegenüber König Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffigkeiten in der Wochenzeitung Die Zeit veröffentlicht.
Mausolf nahm sich beider Themen auf (schwarz-)humorige Weise an — und warnt gleich zu Beginn des Interviews: »Das Geld für die Anwälte sitzt locker«. Ihr Instagram-Kanal hat derweil in den letzten Wochen erheblich an Popularität gewonnen: Innerhalb kürzester Zeit ist ihre Followerschaft auf fast 9000 gewachsen.
»Die da oben« bekommen ihr Fett weg — das kommt an. Doch um Satire, wie beim Magazin Titanic, handelt es sich nicht, Mausolf beruft diese Form der Sozialkritik zur Kunst. Humor in der Kunst sei ihr sehr wichtig, immerhin habe sie selbst erst nach dem Besuch einer Retrospektive des Künstlers Martin Kippenberger beschlossen, sich mit Kunst auseinanderzusetzen und es selbst machen zu wollen. Der ursprünglich aus Dortmund stammende Künstler hatte sich in den 1980er Jahren nicht nur einen Namen mit Bildern, wie »Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken« gemacht, sondern auch immer wieder Postkarten oder Plakate produziert, die ähnlich wie Mausolf heute, auf der feinen Linie zwischen Ulk und Kunst gesellschaftliche Entwicklungen karikierten. Eine seiner bekanntesten Postkarten fragte einst das Publikum: Was ist Ihre Lieblingsminderheit? Wen beneiden Sie am meisten?
Mausolf übersetzt ihre Kritik in digitale Medien, grenzt sich aber auch ab: Während es bei vielen Künstler*innen dieser Tage zum guten Ton gehört, digitale Inhalte zu produzieren — entweder um damit ihr eigenes Werk zu untermauern oder diese Bilder als sogenannte NFTs zu veräußern —, hat sie sich vollständig auf kostenfreies Distribution von Inhalten fokussiert. Außerhalb von Instagram und TikTok gibt es kein eigentliches Werk mehr. Dieser konsequente und radikale Schritt hat Gründe und Folgen.
Svea, ich habe mir deinen Account nochmal komplett angeschaut. Dieser begann ja — zwischen 2012 und 2016 — mit normalem Instagram-Content: Personality-Shots, Kuriositäten und Fun. Und ab dem Januar 2016 wird es plötzlich »arty«. Wie kam das?
Svea Mausolf: Damals habe ich angefangen zu malen. Ich habe schon ab 2013 Fotografie an der Folkwang Universität in Essen studiert, Malerei habe ich erstmal nicht als künstlerische Praxis verfolgt. Für mich gehörte das zum »Art-Game« — ich war kein Teil davon.
Warum?
Das liegt anteilig an meiner Herkunft. Ich komme aus Frankfurt an der Oder, meine Eltern haben nichts mit Kunst zu tun. Daher fehlte mir auch bis zum Studienbeginn das nötige Wissen über Kunst und die Kunstwelt. Ich kannte nicht die Namen von Galeristen und wusste nicht, welche Hochschulen hip sind. Das war mir alles fremd.
Ende 2019 werden die Posts selbstreferentieller. Die Memefication schreitet voran und auch der Inhalt deiner Posts ändert sich. Ab dann hast du Politiker*innen und die Kunstwelt »im Visier« Interessanterweise setzt das unmittelbar nach deiner Ausstellung vor einem Jahr im Off-Raum Gold + Beton ein. Gibt es da einen Zusammenhang?
Tatsächlich nenne ich diese Ausstellung meine »letzte Ausstellung«. Die war sehr belastend. Diese ganze Idee von Ausstellung — seine Werke ausstellen, sich ausstellen — fand ich nur noch befremdlich.
Ich habe mich die ersten Stunden der Eröffnung komplett zurückgezogen und vor der Öffentlichkeit versteckt.
Die Ausstellung stand schon unter dem Stern, dass du dich in gewisser Weise von deinem Werk vorher verabschiedet hast. Sah man vorher von dir Werke mit comic-haften Collagen, die aber gleichzeitig pervertiert dargestellt wurden — Mickey Maus masturbiert Goofy —, verfolgte »Death To All Of Them«, so der Ausstellungstitel, einen ganz anderen Ansatz. Dort hast du mit Buntstiften die »Wände beschmiert«, dazu naiv-wirkende, abstrakte »Kinderbilder« aufgehangen und eine komplett weiße, leere Wippe in den Raum gestellt.
Da kam ein kritischer Gedanke der ganzen Kunstwelt gegenüber zum Tragen. Ich war schon sechs Monate vorher sehr sauer über die Ausgestaltung der Kunstszene. Ich hatte, um das überspitzt zu sagen, »terroristische Gedanken«. Und in diesem Gefühl entstand »Death To All Of Them«. Ich wollte die Bude abreißen. Ich habe die Ausstellung dann als Persiflage auf den ganzen Kunstbetrieb angelegt. Ich versuchte eine super cleane Ausstellung zu machen und dazu lief der Fahrstuhl-Jazz von Dancing Fantasy, einer Band, die ich auch wirklich mag. Als Hintergrundmusik hat das aber eine Aussage. Es sollte wie in der 90er-Serie »Ally McBeal« angelegt sein. Da sahen die Ausstellungen auch immer so aus: Eine »Idee« von Kunst, die dann im TV gut aussehen musste.
Jetzt hast du dich aus den Galerien verabschiedet und arbeitest in den Gefilden der Social Media. Hast du denn das Gefühl, dass du gescheitert bist? Von »Außen«, aus einer nicht-bürgerlichen Familie, in den Betrieb reingekommen und dann so sehr gefremdelt, dass du entkräftet aufhörst?
Nein, gar nicht. Ich kann mein Ding machen und muss anders als Künstler*innen, die es schaffen wollen, nicht warten, bis die Galerie mich anwirbt oder ich bei einer Gruppenausstellung mitmachen darf. Es hatte viel mit Naivität zu tun, als Underdog mitspielen zu wollen in dieser Welt.
Die Düsseldorfer Milliardärin und Kunstsammlerin Julia Stoschek bekommt auf deinem Kanal häufiger die Hucke voll. Jetzt ist Julia Stoschek in eine Kontroverse um ihr Erbe geraten (s. Seite 76). Gleichzeitig muss man sagen, dass der Zugang zu ihrer Collection in Düsseldorf gratis ist. Alle können dort auf einem hohen Niveau aktuelle und historische Medienkunst sehen. Auch Menschen, die sich den Eintritt für größere Museen nicht leisten können. Wie unterscheidest du da?
Ich war auch schon in ihrer Collection in Düsseldorf. Und ja, die Kunst ist gut. Ich muss ganz klar sagen, dass man sich als Person des öffentlichen Lebens, und mit einem solchen großen Erbe, einfach kritisch mit der Familien- und Firmenvergangenheit auseinandersetzen muss. Das sollten alle Deutschen tun. Auch meine Großeltern waren nicht im Widerstand, sondern hatten bis zu ihrem Lebensende Bilder von Hitler in der Schublade. Wenn ich das reflektieren kann, dann sollte eine Person, deren Familie so vom Dritten Reich profitiert hat, für sich daraus Konsequenzen ziehen und Verantwortung übernehmen. Wenn Stoschek das machen würde, dann würde ich sie feiern. Aber solange sie da uneinsichtig ist, mache ich einfach weiter. Weil — und das ist der zweite Teil der Antwort: Ihr Umgang mit dem Erbe beschmutzt ihre gute Arbeit als Sammlerin.
Siehst du deine eigene Arbeit in einer Ahnenreihe mit anderen Künstler*innen, die der Institutionskritik zuzuordnen sind?
Nein, ich möchte nicht zu diesem Zirkel vornehmlich alter, weißer Männer gehören, die Kritik hegen, bloß um ihre eigene Kritikalität zu beweisen. Mir geht es nicht um einen anderen Zugang zum selben Kunstmarkt.
Um mal den Namen Martin Kippenberger einzuwerfen, den ich hier schon emblematisch auch für deinen Kunst sehe: Weißt du, was dein zweiter Instagram-Post war? Ja, das ist die »Sympathische Kommunistin« aus seiner Retrospektive im Hamburger Bahnhof Berlin.
Bist du eine sympathische Kommunistin?
Das sind ganz große Fässer, die man jetzt aufmachen könnte. Aber ich würde mich freuen, wenn ein Gespenst in Europa umgehen würde. Ich bin für Umverteilung und Chancengleichheit. Ich wurde einfach so erzogen: Meine Eltern waren Bürger der DDR und später waren auch noch alle meine Lehrer von der Zeit geprägt. Es muss sich doch etwas ändern, das ist doch klar.