Zwischen den Stühlen
Alles, was man macht, gilt heute als Statement. Das betrifft auch unsere Ernährung. Jedoch nicht nur das, was wir essen, sondern auch wie und wo. Auf einer der vielen neuen Terrassen der Gaststätten Platz zu nehmen, von denen dieses Jahr noch mehr auf Gehwegen und Parkplätzen aufgebaut wurden, ist also auch ein Statement, dass die Stadt anders sein sollte: mehr Platz für Geselligkeit, weniger für Autos.
Das Bekenntnis fiel in diesem Jahr sehr deutlich aus. Die Außengastronomien waren proppenvoll. Ursprünglich wollte die Stadt mit den neuen Flächen für Terrassen die Einbußen der Gastwirte durch die Corona-Shutdowns ausgleichen. Zwar sind keine weiteren Schließungen in Sicht — die erweiterte Außengastronomie aber wird bleiben. Die Gastro-Branche ist in Köln durch kluge Lobbyarbeit zu einer wichtigen Stimme geworden, wenn es um die Gestaltung des öffentlichen Raums geht. Dahinter stehen selbstverständlich auch unternehmerische Interessen. Die Außengastronomie ist für viele Gastwirte existenzsichernd, weil sie besonders einträglich ist. Dazu braucht es oft kein originelles Angebot, bloß Baumarkt-Mobiliar vor der Tür.
Man muss das benennen — ohne mehr Tische und Stühle an Straßen abzulehnen. Aber dieses Jahr hat auch gezeigt, welche Konflikte mit der Ausweitung der Außengastronomie verbunden sind. Für Menschen mit Behinderung macht es keinen Unterschied, ob ein Falschparker oder Stühle den Weg verstellen. Und Geselligkeit und urbanes Flair auf den Terrassen zu preisen, während sich immer weniger Menschen leisten können, dort Platz zu nehmen, ist eine gedankenlose Argumentation.
Es wäre längst an der Zeit, dass Politik und Gastwirte, aber auch die Vertreter von Behindertenverbänden, progressive Stadtplaner und Anwohner sich einigten. Stattdessen jedoch wettern Gastwirte gegen Auflagen, und Stadtdirektorin und Ordnungsamt gehen auf Konfrontationskurs. Hinzu kommt: Wir brauchen einen Kompromiss, bevor die Hitzesommer so extrem werden, dass sich ohnehin niemand mehr im Freien aufhalten will.