Viel erlebt: Werner Herzog als Werner Herzog

Werner Herzog — Radical Dreamer

Thomas von Steinaecker porträtiert den verehrten Filmemacher — materialreich und bisweilen rührend

Ein filmisches Porträt von Werner Herzog steht automatisch in großer Konkurrenz. Schließlich ist Herzog neben vielem anderen — Regisseur, Autor und Spezialist für Abweichler und Grenzgänger — auch ein Dokumentarist seiner selbst. Seine mit beschwörendem Singsang eingesprochenen Dokumentarfilme über Bärenfanatiker, Vulkanologen, Schnellsprecher, verwirrte Pinguine und Höhlenforscher geben immer auch Einblicke in seine Denkweise und Weltsicht. Er prägte Begriffe wie »ekstatische Wahrheit«, schrieb Manifeste und Bücher — und mit »Jeder für sich und Gott gegen alle« zuletzt auch eine Autobiografie. Zudem gehören die Erzählungen über die kräftezehrenden Dreharbeiten zu »Fitzcarraldo« und den Krawall des Terrorschauspielers Klaus Kinski längst zur Mythengeschichte des Kinos. Wer also mit der »Werner-Welt«, wie Nicole Kidman es in Thomas von Steinaeckers Film nennt, annähernd vertraut ist, trifft hier vor allem auf Altbekanntes. Flankiert werden Herzogs Selbstauskünfte, meist in Outdoor-Klamotten vor einem Haus in den Bergen, von Aussagen seiner Mitarbeiter:innen, darunter die Kameramänner Thomas Mauch und Peter Zeitlinger, Schauspieler wie Christian Bale und die Regiekolleg:innen Chloé Zhao, Joshua Oppenheimer und Wim Wenders, Ehefrau Lena Herzog und Lucki Stipetic, Herzogs Bruder und langjähriger Produzent. Sie alle arbeiten, mal mehr, mal weniger reflektiert, am Herzog-Kult mit.

Als Einführungskurs in Herzogs filmischen Kosmos und der nicht unkomplizierten Rezeptionsgeschichte seines Werks, die den Regisseur schließlich zum Weggang aus Deutschland trieb und in die offenen Arme Amerikas, ist der Film solide und materialreich. Weniger Kinski hätte »Werner Herzog — Radical Dreamer«, pünktlich zum 80. Geburtstag des Regisseurs erschienen, allerdings gutgetan. Die lebendigsten Momente hat der Film, wenn Herzog den Raum hat, seine Begeisterung zu teilen, etwa beim Besuch des »Museum of Jurassic Technology« in Los Angeles. Berührend ist auch die Wiederbegegnung mit dem oberbayerischen Dorf Sachrang, wo Herzog seine Kindheit verbrachte. Vor dem Haus, in dem er mit seiner Mutter und den beiden Brüdern als Kriegsflüchtling lebte, erinnert er sich an eine Zeit großer Entbehrungen, hineingehen mag er nicht. An einem Wasserfall ist Herzog schließlich ganz bei sich angekommen: »That’s where I belong, that’s my landscape. That’s me«.

D/USA 2022, R: Thomas von Steinaecker, 102 Min.