Abgewiesen
Mehmet E. wohnt gerne in Köln: »Schon am ersten Tag, habe ich gedacht: Köln ist meine Heimat«, sagt der 50-Jährige, der im Kölner Süden wohnt. Aufgewachsen ist er in Bayern, wohin seine Familie in den 70er Jahren aus der Türkei emigriert ist. 2012 ist er schließlich nach Köln gezogen. »Ich habe hier nie etwas Rassistisches erlebt«, sagt er. »Bis zu jenem Tag.«
Jener Tag, das ist ein Freitag Abend im Oktober. An diesem Abend ist Mehmet E. alleine in der Kölner Altstadt unterwegs, um auszugehen. Er trägt ein Hemd und Jeans, dazu normale Straßenschuhe. An seiner ersten Station, einem Irish Pub, habe es keine Probleme gegeben, sagt E. Nach einem Getränk dort habe er sich in die Schlange der »Kulisse« am Alter Markt gestellt. Der Türsteher habe ihn nicht hereingelassen. Die Begründung: E. würde eine Reservierung benötigen. »Aber nach mir sind Leute hereingegangen, ohne nach einer Reservierung gefragt worden zu sein«, berichtet E. Allerdings habe niemand von ihnen einen sichtbaren Migrationshintergrund gehabt.
Auch an der nächsten Station, dem »Keks« in der Salzgasse, sei ihm der Zutritt verwehrt worden. »Ich habe den Türsteher gefragt: ›Warum?‹ Er hat mir geantwortet: ›Darum!‹«, erzählt E. »Da stieg eine Wut in mir auf.«
Nach einem Drink in einer anderen Altstadt-Kneipe am Heumarkt ging E. zurück zum Alter Markt. Dort wollte er das »Treffpunkt Cologne« besuchen. Auch dort hielt ihn der Türsteher an: »Er hat seinen Chef gefragt, ob er mich reinlassen darf. Der Chef hat mich gemustert und gesagt: ›Nein‹«.
Nachdem er in drei von fünf Lokalen an der Tür abgewiesen wurde, setzte sich E. an den Brunnen am Alter Markt. »Ich war geschockt und habe mich gedemütigt gefühlt« erzählt er zehn Tage später beim Gespräch mit der Stadtrevue. »Ich habe gedacht, dass ich das alles jetzt erst einmal verarbeiten muss.«
Ich habe den Türsteher gefragt, warum ich abgewiesen wurde. Er hat mir geantwortet: ›Darum!‹
Mehmet E.
Sein Verdacht: Er ist abgewiesen worden, weil er aus der Türkei stammt; vor den Lokalen sei er stets die einzige Person mit sichtbarem Migrationshintergrund gewesen. »Das ist wie ein kleines Trauma für mich.« In seiner Jugend sei er der erste und einzige Türke auf dem Gymnasium seiner Heimatstadt Kulmbach gewesen. Seine Familie habe in einem kleinen Ort einen Imbiss gehabt und immer in Angst vor Angriffen durch Rechtsextreme gelebt. »Ich habe viele schlimme Dinge erlebt, aber heute kann ich mich wehren«, sagt er.
Weder die »Kulisse« noch das »Keks« haben auf eine Anfrage der Stadtrevue reagiert. Wir wollten wissen, wie sie zu den Vorwürfen stehen und welche Anweisungen das Türpersonal für die Auswahl der Gäste erhalten hat. Vom »Treffpunkt Cologne« kam eine kurze Nachricht. Man habe Hausrecht, »und wenn mir ein Gesicht nicht passt oder ich nicht möchte, dass diejenige Person meinen Laden betritt, ist das völlig legitim.«
»Die rechtliche Lage ist anders«, sagt Ilka Simon vom Anti-Diskriminierungsbüro Köln. Der unabhängige Verein unterstützt Menschen, die rassistisch diskriminiert worden sind. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schränke das Hausrecht ein, sagt Simon. Es müssten für alle Gäste die gleichen Kriterien angelegt werden. Was E. von der »Kulisse« berichtet, wo ihm mit Verweis auf eine angebliche Reservierungspflicht der Eintritt verwehrt worden sei, aber andere Gäste nicht nach der Reservierung gefragt wurden, könnte daher eine rassistische Diskriminierung darstellen.
»Es ist kompliziert, dies vor Gericht zu belegen«, sagt Ilka Simon. Die Betroffenen benötigen Zeug*innen oder die Aussagen anderer Menschen, die gleiche Erfahrungen gemacht haben. Zudem sei die Hemmschwelle sehr hoch, rassistische Erfahrungen mit Türpersonal zu melden. »Viele wollen das einfach nur schnell hinter sich lassen«, vermutet Simon. Das Anti-Diskriminierungsbüro ist deshalb auch präventiv aktiv. Es bietet unter anderem Schulungen für Türpersonal an, um rassistische Diskriminierungen zu vermeiden. Anfragen von Altstadt-Lokalen habe es aber bislang noch nicht gegeben, berichtet Ilka Simon.
»Ich stehe weiter zu Köln«, sagt Mehmet E. Ausgehen will er aber zukünftig lieber woanders. »In Ehrenfeld oder der Südstadt habe ich solche Erfahrungen noch nicht gemacht.«