Stumme Umarmung

Unsterbliche Überreste

Erich von Stroheims »Greed« im Filmforum — ein Ereignis mit Seltenheitswerten

Im Kern erzählt Erich von Stroheims »Greed« eine Dreiecksgeschichte: Der ohne Zulassung arbeitende Zahnarzt McTeague (Gibson Gowland) verliebt sich eines Tages in Trina (Zasu Pitts), die Verlobte seines Freundes Marcus (Jean Hersholt). Großmütig gibt Marcus den Weg für McTeague frei, dem es gelingt Trinas Gunst zu erlangen. Doch als diese in der Lotterie ein Vermögen gewinnt, bereut Marcus seine Entscheidung. Und während Neid allmählich die Freundschaft der beiden vergiftet, ergreift krankhafter Geiz Besitz von Trina.

Der Stummfilmklassiker von 1924 gilt als enorm einflussreich, nicht zuletzt dank seiner Fangemeinde unter den Größen der Filmgeschichte — Welles, Visconti, Buñuel —, doch in seiner ursprünglichen, vom Regisseur intendierten Fassung hat ihn kaum ein Mensch gesehen. Von Stroheim hatte für seine Adaption des Romans »McTeague« des Naturalisten Frank Norris keinen Aufwand gescheut. Statt im Studio drehte er an Originalschauplätzen, so etwa auch bei 50 Grad Hitze im Death Valley. Vor allem aber hatte er sich in den Kopf gesetzt, den Romantext bis auf das i-Tüpfelchen werkgetreu auf Zelluloid umzusetzen, woraus ein neunstündiges Mammutwerk resultierte. Das Studio MGM erzwang drastische, für von Stroheim ex­trem schmerzhafte Kürzungen.

In mehreren Zwischenschritten wurde »Greed« auf gut zweieinhalb Stunden heruntergebrochen. »Anhand von dem, was man auf der Leinwand sieht, lässt sich erahnen, was für ein großartiges Werk es gewesen ist«, weiß Joachim Steinigeweg, der seit 2017 regelmäßig Filme wie diesen aus der Sammlung Leo Schönackers aufführen lässt. Das herausgeschnittene Material habe das Studio damals einschmelzen lassen. »Die ursprüngliche Fassung ist komplett verloren.«

Der Besuch im Filmforum lohnt sich nicht nur wegen des auch in der erhaltenen Form beeindruckenden »Greed«, sondern zudem wegen der Vorführung auf Film, die ebenfalls Seltenheitswert hat. »Klassiker wie diesen gibt es natürlich inzwischen auf DVD oder Bluray«, sagt Steinigeweg, »Film hat aber eine andere Anmutung. Den Filmrollen ist ihre ganze Aufführungsgeschichte eingeschrieben. Und sie erlauben uns, ›Greed‹ in der ursprünglich beabsichtigten Geschwindigkeit abzuspielen.« Nicht zuletzt die Live-Begleitung durch den Pia­nisten Wilfried Kaets sollte für ein wohliges Kinogefühl sorgen.

»Greed«, Sa, 17.12., 20 Uhr, Filmforum im Museum Ludwig, filmforumnrw.de