Frivole Feuerwerhr

Irrlicht

João Pedro Rodrigues’ musikalische Fantasie verbindet Liebe, Klimawandel und die »Zauberflöte«

Zwei junge Männer haben Sex in einem abgebrannten Kiefernwald, umgeben von verkohlten Baumskeletten. So kann Trauerarbeit im Angesicht der Klimakrise auch aussehen. Beim portugiesischen Filmemacher João Pedro Rodrigues gerät ein solches Arrangement nicht zur Geschmacklosigkeit, sondern zur feierlich frivolen Beschwörung dionysischer ­Vernunft.

»Irrlicht« steckt voller vignettenhafter Bilder, die kommen und gehen wie bei einer Revue oder, weniger weltlich, wie bei einer Prozession. In 67 Minuten fackelt der Film eine »musikalische Fantasie« ab, wie der Regisseur sein Wundertütenwerk nennt. Es geht um Waldbrände und Kolonialismus, Rassismus und Klasse, um Kunst und Kopulation, und mit alledem treibt Rodrigues Schabernack, ohne es wiederum zu bagatellisieren. Wie schon in »Der Ornithologe« begleitet Rodrigues seinen Helden auf einem queeren Abenteuer. Nur dass »Irrlicht« ein ganzes Leben umspannt, von der Kindheit bis zur Trauerfeier, und dabei ohne die Gravität des »Ornithologen« auskommt, stattdessen federleicht daher tänzelt.

Der Film setzt ein im Jahr 2069. Ein alter König, Alfredo, liegt im Sterben, zu seinen Füßen spielt ein Kind mit einem Feuerwehrauto. Erinnerungen flackern im verlöschenden Gedächtnis des Greises auf: Er sehnt sich nach seiner Jugendliebe. In Rückblenden erzählt »Irrlicht« von Alfredo als jungem Prinzen (Mauro Costa), blondgelockt und reinen Herzens wie im Märchen. Zugleich ist er ein feinfühliger und kritischer junger Mann von heute und verweigert sich den Erwartungen der Eltern, bei denen rassistische Ölschinken überm Esstisch hängen. Feuerwehrmann will er werden, angesichts der Waldbrände in seiner Heimat. Doch wie es in der Jugend so ist: Mit der gleichen Verve, mit der man für hehre Ziele zu kämpfen bereit ist, treibt es einen auch in die Arme begehrenswerter Menschen. Bei der militärisch disziplinierten und zugleich demokratisch diversen Feuerwehr, in der die Männer zu Mozarts »Zauberflöte« ihre Körper stählen und nackt Kunstwerke nachstellen, verliebt sich Alfredo in seinen Ausbilder Afonso (André Cabral). Doch als sein Vater stirbt, muss er die königliche Nachfolge antreten. Ganz aus ist es mit der Liebe und der Freiheit trotzdem nicht. Denn am Ende erklingt mit den im Portugiesischen sehr ähnlichen Wörtern »Fado« und »Phallus« einer der zartesten schiefen Reime künftiger Liebeslyrik.

(Fogo-Fatuo) P/F2022,
R: João Pedro Rodrigues,
D: Mauro Costa, André Cabral,
Margarida Vila-Nova,
67 Min., Start: 8.12.