Bedeutungsloses Eis
Es ist ein rührendes Bild: Ein frisch gekauftes Eis, das sich Richtung Boden verabschiedet und dann aufschlägt. Wenig kann die Stimmung kleiner Kinder (und auch ihrer Eltern) so schnell umschlagen lassen, wie die Enttäuschung eines tieffliegenden Eises.
Von daher ist die Wahl, die der in Schweden geborene, und erst kürzlich verstorbene Künstler Claes Oldenburg getroffen hat, immer noch eigentümlich: Als der damalige Betreiber der Neumarkt Galerie im Jahr 2000 ein Kunstwerk bestellte, entschied sich Oldenburg für das Bild der »fallengelassenen Eistüte« (Dropped Cone). Es ist nur eines seiner Large Scale Objects, die der Bildhauer seit 1990 mit seiner Partnerin Coosje van Bruggen realisierte; für uns Kölner*innen aber natürlich eines der lustigsten, buntesten und bedeutendsten Werke, die man beim Blick durch die Stadt zu Gesicht bekommt. So viele Augenpaare auf der knapp zwölf Meter hohen Waffel täglich ruhen, so wenigen ist ganz klar, was sich hinter der Skulptur verbirgt. Und fairerweise muss man dazu sagen, dass auch Oldenburg nicht sonderlich aufschlussreiche Aussagen zur Bedeutung gemacht hat.
Das sollte aber nicht verwundern, da das Werk des Pop-Art-Künstlers, der mit Andy Warhol und Roy Liechtenstein unsere Sehgewohnheiten nachhaltig verändert hat, stets mit dem Thema »Bedeutungslosigkeit« flirtete. Ob in den 50ern, als er Gipsabdrücke von Konsumprodukten in seinem »The Store« benannten (Pop-Up-)Geschäft verkaufte, oder später, als er mit Pommes- und Hamburger-Skulpturen für Furore sorgte: Immer drängte sich die Frage nach dem Wert und dem Sinn hinter dem Werk auf, zumindest dem breiten Publikum und anfänglich auch noch den Kritiker*innen. Erst ab den 1980ern erlangte Oldenburg wirklich Weltrang und zauberte immer wieder ein Grinsen in die Gesichter. In Köln reicht dafür die Eiswaffel, die bei jeder Witterung langsam dahinschmilzt.
Möchte man ein wenig deuten, dann drängt sich, ob der Vergänglichkeit des Vanilleeis, die Infragestellung des Konsumglücks auf. Die Waffel erinnert mitten im Shopping-Mekka daran, dass das Endorphin des Kaufrausches nicht für seine Langlebigkeit bekannt ist.
Vielleicht soll die Waffel der Mall aber auch einen Narrenhut aufsetzen, an die Türme der Kölner Kirchen erinnern oder einfach nur lecker aussehen — aufklären kann man das nicht. Zum gelegentlichen Grübler beim Wochenend-Einkauf reicht es dann aber doch. Wer die Bedeutung für sich geklärt hat, kann sich ja belohnen. Wenn es ein Eis ist, dann kann man nur einen Rat geben: Gut festhalten und nicht fallenlassen.