Nur noch ein bisschen parken, bitte
Deutz, klagen manche Anwohner, sei die Abstellkammer von Köln. Messe, Event-Arena, ICE-Bahnhof, hier komme alles hin, was auf der anderen Rheinseite keiner haben wolle. Ob das für die Deutzer so schön ist, darüber redete keiner, nicht mal die Deutzer selbst. Doch 2017 gründete sich eine Bürgerinitiative, deren Mitglieder plötzlich von der Lebensqualität im Veedel zu reden begannen. Sie forderten, die notorisch verstopfte Deutzer Freiheit für Autos zu sperren. Die Bezirksvertretung schloss sich ihnen an, und im Juni 2022 startete ein zwölfmonatiger »Verkehrsversuch«, um die Auswirkungen »auf die Lebensqualität der Menschen vor Ort sowie die Geschäfte und Gastronomien in Deutz« zu prüfen.
Wie es aussieht, hält Deutz nicht einmal diese zwölf Monate durch. Die Geschäftsleute auf der Deutzer Freiheit wettern, ihr Umsatz sei eingebrochen. Der Versuch müsse sofort abgebrochen werden. Die IHK startete eine Umfrage, in der Unternehmen aus Handel, Handwerk und anderen Branchen von Umsatzrückgängen berichteten. Diese könne man nicht allein auf eine mögliche Kaufzurückhaltung wegen der Energiekrise zurückführen, so Thorsten Zimmermann von der IHK. »Sie fallen deutlicher aus als an anderen Standorten, und es sind auch relativ konjunkturunabhängige Unternehmen wie Apotheken oder Gesundheitsdienstleistungen darunter.« Unterstützt werden die Händler auch von der CDU, die sich seit ihrem Parteitag Anfang November offen gegen die Verkehrspolitik ihres grünen Bündnispartners stellt. Bundestagsabgeordnete Serap Güler war sich nicht zu schade, auf einer Demo gegen die autofreie Zone mit zu marschieren.
Mehreren Bürgereingaben, den Versuch sofort abzubrechen, erteilte die Bezirksvertretung Anfang Dezember zwar eine Absage. »Wir müssen mit unseren Beschlüssen berechenbar sein und dürfen nicht wegen eines Stimmungsbilds alles umwerfen«, sagt Innenstadt-Bürgermeister Andreas Hupke (Grüne). Doch es wurde auch ein »Veedelsbeirat« eingesetzt, der über »Kompromissvorschläge« von IHK und Geschäftsleuten beraten soll. Sie fordern etwa, dass der an den Gotenring grenzende Abschnitt der Freiheit kurzfristig wieder für Autos geöffnet und Kurzzeit-Parkplätze eingerichtet werden sollen. »Wir müssen die Ängste ernst nehmen und die Köpfe zusammenstecken, wie wir den Einzelhandel über Wasser halten können«, sagt Hupke. In der nächsten Sitzung Ende Januar werde die Bezirksvertretung wohl über die »Modifizierungen« entscheiden.
»Es sagt ja keiner, dass der alte Zustand wieder her muss«, sagt Hans-Günter Grawe, »Handelskümmerer« der Kölner Interessengemeinschaften. »Aber an der Deutzer Freiheit muss die Verwaltung dringend nachjustieren.« Man werde in Zukunft noch einige Diskussionen und Streit um den Verkehr an Einkaufsstraßen führen, glaubt Grawe. Nach Eigelstein und Ehrenstraße wird nun an der Venloer Straße experimentiert, und auch im Agnesviertel gibt es Vorschläge, Teile der Neusser Straße autofrei zu machen. Die IHK wappnet sich bereits mit einem Kriterienkatalog für künftige Verkehrsversuche.
Die Deutzer Freiheit, sagt Handelskümmerer Grawe, sei keine reine Veedels-Einkaufsstraße. Viele Kunden kämen nicht aus Deutz. »Man hat unterschätzt, wie viele Menschen nach Feierabend mit dem Auto in die Deutzer Freiheit fahren, um auf dem Heimweg noch schnell Einkäufe zu machen.« Der praktische Stadtteil für alle anderen zu sein — so leicht kommt Deutz aus der Nummer nicht heraus.