»Sprachförderung, wo sie nötig ist«
»Alarmierende Ergebnisse, die uns aufrütteln müssen.« Mit diesen Worten kommentierte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) den IQB-Bildungstrend. Rund 27.000 Schulkinder der 4. Jahrgangsstufe waren in den Fächern Deutsch und Mathematik getestet worden, ob sie die von der Kultusministerkonferenz festgelegten Bildungsstandards erfüllen. Doch viel zu viele von ihnen lesen und rechnen sehr schlecht. In manchen Bundesländern erreicht kaum die Hälfte von ihnen die Mindestanforderungen in der Rechtschreibung, in anderen scheitert jeder Dritte am Kompetenzminimum in Mathematik. Die Untersuchung zeigte auch, dass besonders die Leistungen von Kindern, die im Ausland geboren sind, stark zurückgegangen sind.
Wie damit umgehen? Karin Prien (CDU), Schulministerin in Schleswig-Holstein und Präsidentin der Kultusministerkonferenz, brachte kürzlich ein Kita-Pflichtjahr ins Spiel. Das letzte Jahr vor der Einschulung, verpflichtend für Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen. »Eine Verpflichtung ist für diese Kinder der richtige Weg, um die Bildungschancen zu verbessern«, hatte Prien gegenüber den Kieler Nachrichten gesagt. Das CDU-Präsidium hat sich ihrem Vorschlag angeschlossen, auch der Deutsche Lehrerverband unterstützt die Idee. Es sei »absolut richtig, mehr dafür zu tun, dass alle Kinder beim Eintritt in die Schule über so viel Sprachkompetenz verfügen, dass sie dem Unterricht folgen und die Bildungsstandards erreichen können,« sagte der Präsident des Lehrerverbands Heinz-Peter Meidinger. Denn letztendlich gehe es auch um die Frage, ob das bisherige schulische Integrationskonzept ausreichend sei oder scheitere, mit allen negativen gesellschaftlichen Folgen in der Zukunft, so Meidinger.
Das Absurde an der Diskussion: Gleichzeitig ringen Bund und Länder seit Monaten um die Weiterführung eines gut funktionierenden Förderprogramms, der Sprach-Kitas. Das bereits etablierte Programm ermöglicht Einrichtungen mit förderungsbedürftigen Kindern, zusätzliche Fachkräfte einzustellen, die die sprachliche Entwicklung der Kinder fördern, ihr Wissen an das Team weitergeben und Elternberatungen anbieten. Seit 2016 gibt es das Programm, allein 2021 und 2022 wurden 210 Mio. Euro vom Bund dafür bereitgestellt. Es setze »an den zentralen Stellschrauben für einen guten Einstieg ins Bildungssystem an: dem Zugang für alle Kinder und der Sprachförderung, wo sie nötig ist«, sagte vor rund zwei Jahren die damalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) über die Sprach-Kitas. Seit deren Einführung wurden rund 7.500 Teilzeitstellen finanziert, bundesweit profitierte etwa jede achte Kita.
Es geht auch um die Frage, ob das bisherige schulische Integrationskonzept ausreichend ist
Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Leherverbands
Doch nun möchte der Bund das Programm beenden und sich aus der Finanzierung zurückziehen. Im Juli hieß es, Ende Dezember sei Schluss. Nach langem Hin und Her teilte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) mit, dass sechs Monate länger gezahlt werde, danach müssten die Länder die Finanzierung übernehmen. Die Länder aber hatten eine Weiterführung bis 2025 gefordert, weil sie kurzfristig nicht die Kosten übernehmen können oder wollen.
Eine erste Zusicherung gibt es in Nordrhein-Westfalen. Mehr als 1.400 Sprach-Kitas gibt es hier, in den vergangenen Monaten wusste man dort nicht, wie es für die vielen Fachkräfte im kommenden Jahr weitergeht. Denn wäre das Programm zum Jahresende ausgelaufen, hätte man ihnen eigentlich bereits im September kündigen müssen. NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) hat nun signalisiert: Das Land werde die Sprach-Kitas nach dem Auslauf der Bundesförderung weiter finanzieren. Man werde ihren Erhalt »landesseitig über den Haushalt 2023 sicherstellen«, so Paul gegenüber dem WDR. Wie lange das Land die Kosten aber übernehmen kann und ob es in Zukunft in vollem Umfang erhalten werden kann, dazu war bislang keine Stellungnahme zu erhalten.