Machtmissbrauch im Gesundheitsamt
Wer als Lehrer oder Lehrerin verbeamtet werden will, muss eine amtsärztliche Untersuchung über sich ergehen lassen. Mehrere Frauen berichteten dem Kölner Stadt-Anzeiger Anfang Januar, dass einer der angestellten Ärzte im Kölner Gesundheitsamt sie bei einer solchen Untersuchung ohne ersichtlichen Grund angewiesen habe, ihre Brüste zu entblößen.
Sie schildern entwürdigende, grenzüberschreitende Situationen. So habe der Arzt mit dem Stethoskop auf die Brustwarze einer 33-Jährigen gedrückt und gesagt: »Oh, entschuldigen Sie bitte, ich war so von Ihrem Bauchnabel-Piercing fasziniert, dass ich nicht geschaut habe, wo ich drücke.« Der Arzt habe ihre Reflexe getestet, ihre Atmung abgehört. Auch die anschließenden Tests zum Gleichgewichtssinn und zur Beweglichkeit habe sie mit nacktem Oberkörper ausgeführt. Später habe der Arzt sie aufgefordert, ihre Unterhose weiter herunterzuziehen. Dabei sollen die Worte gefallen sein: »Ich würde ja selbst Hand anlegen. Aber dann würde ich in Teufels Küche kommen.«
Zuvor hatte eine 29-jährige Lehramtsanwärterin ebenfalls von einer grenzverletzenden Situation berichtet. Auch sie habe ohne ersichtlichen Grund den BH ablegen müssen. Allerdings sei während ihrer Untersuchung eine Ärztin anwesend gewesen. Beide Frauen sagen, sie hätten Druck verspürt, weil sie fürchteten, ihre Einstellung sei von dem gesundheitlichen Gutachten des Arztes abhängig. Die 33-Jährige Frau spricht von Machtmissbrauch. Beide Frauen seien schließlich als Lehrerinnen eingestellt worden.
Ihre Beschwerden seien die »ersten seit Jahren«, teilt die Stadt mit. Als Reaktion sei der beschuldigte Arzt einstweilen mit einer Aufgabe ohne Patient*innenkontakt betraut worden. Die Vorwürfe würden untersucht, »beamtenrechtliche Konsequenzen« erwogen. Insgesamt gibt es 11 Stellen für Ärzt*innen im Gesundheitsamt, die sich auf 14 Personen verteilen: 8,7 Stellen für Ärztinnen und 2,3 für Ärzte. Grundsätzlich sollen Frauen von Ärztinnen und nur Männer auch von Ärzten untersucht werden, sagt die Stadt. Sollte das nicht möglich sein, werde weibliches medizinisches Personal hinzugezogen. Offenbar kann das aber nicht gewährleistet werden.
»Die Stadt Köln hat eigentlich ganz gute Konzepte zum Umgang mit sexueller Belästigung«, sagt Gesine Qualitz, Geschäftsführerin des Frauenberatungszentrums Köln. Ihre Einrichtung beteiligt sich an der bundesweiten Kampagne #makeitwork, die sich für einen Arbeitsplatz ohne sexuelle Belästigung und Gewalt einsetzt. In diesem Rahmen sieht Qualitz auch Ansätze, um die Vorfälle wie im Gesundheitsamt zu verhindern. Trotz klarer Leitlinien sei nicht jede*r in der Stadtverwaltung ausreichend für das Thema sensibilisiert. »Die Priorität dafür muss von oben kommen«, sagt sie. In der konkreten Situation müsse für die Betroffenen sofort klar sein, an welche Stelle sie ihre Beschwerde richten können.
Die für alle städtischen Mitarbeiter*innen verbindliche »Dienstanweisung zum Schutz vor sexueller Belästigung« enthält neben einer klaren Definition auch den Satz: »Besonders verwerflich ist sexuelle Belästigung dann, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt wird.« Qualitz hält das für eine ausreichende Grundlage, die in der Verwaltung mit Leben gefüllt werden müsse. »Je klarer es ist, was ein grenzüberschreitendes Verhalten ist, desto schwerer wird es für die Täter«, sagt sie. Die bundesweite Berichterstattung dürfte immerhin in dieser Hinsicht schon Wirkung gezeigt haben.