Gefoltert und vergessen
Außerhalb von Porz kennen die wenigsten das Hochkreuz in Gremberghoven. Und selbst wer hier wohnt, dem dürfte nicht bekannt sein, dass sich dort, wo Frankfurter Straße und Maarhäuser Weg aufeinandertreffen, während des Nazi-Regimes ein frühes »Schutzhaftlager« befand. Bereits 1933 organisierten SA-Mitglieder hier Folterungen, mindestens ein Häftling starb daran. Aufgeschrieben hat das unter anderem schon 1982 Gebhard Aders. Er war damals Leiter der Porzer Außenstelle des Historischen Stadtarchivs und veröffentlichte die Geschichte des Orts im Jahrbuch »Rechtsrheinisches Köln«. Doch lediglich eine Tafel des »Porzer Kulturpfads« wies später am Hochkreuz auf dessen Vergangenheit hin; als sie verschwand, gab es von der Stadt keinen Ersatz.
Nun werden bald auch die Gebäude, in denen vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten gefangen gehalten, verhört und gefoltert wurden, verschwunden sein. Das Gelände samt Gebäuden, in denen zuletzt ein Campingmarkt und ein Papierhandel ansässig waren, befindet sich im Besitz des Rösrather Projektentwicklers OSMAB. Einen Teil des Geländes hat das Unternehmen an die Stadt Köln verkauft, damit diese die Frankfurter Straße auf einer Länge von 800 Metern von zwei auf vier Spuren verbreitern kann. So soll der Autoverkehr zur Autobahn A 559 schneller abfließen.
Davon erfuhr die Bezirksvertretung in Porz nur, weil Linke und Die Partei eine Anfrage stellten, was die Stadt auf dem Areal plane und ob es einen Gedenkort geben werde. Das war bereits im April 2021. Doch das zuständige Kulturdezernat benötigte anderthalb Jahre für die Beantwortung — und teilte dann im vergangenen November mit, dass die Stadt bereits im Januar 2021 einen Teil des Grundstücks gekauft hat und die darauf befindlichen Gebäude bis Mitte dieses Jahres abreißen lassen wird. Die anderen Gebäude des ehemaligen SA-Lagers, darunter eines, in dem die Menschen gefangen gehalten wurden, werden derzeit schon von OSMAB abgerissen. Das Unternehmen weigert sich gegenüber der Stadtrevue, Anfragen zu seinen Plänen auf dem Gelände sowie einer möglichen Gedenkstätte zu beantworten.
Auch das NS-Dokumentationszentrum hat dem Abriss der Bauten auf dem Grundstück der Stadt zugestimmt, heißt es in der Mitteilung der Verwaltung vom November. Allerdings unter der Voraussetzung, dass »ein würdiges Gedenken an diesen zentralen Handlungs- und Gewaltort der SA« garantiert werde — »in Form einer Gedenkstele und/ oder eines Informationspavillons«. Allerdings hat das Kulturdezernat bis heute kein Konzept dafür erarbeitet. Auch das Amt für Denkmalschutz hat keine Bedenken, die Gebäude abzureißen, da sie nicht mehr »in der Originalsubstanz erhalten« und »architekturhistorisch nicht aussagekräftig« seien. »Orte werden doch nicht zu NS-Gedenkstätten, weil dort hochwertige Architektur steht, sondern wegen ihrer Bedeutung für das Verständnis von Geschichte!«, sagt Klaus Schäfer. Er, der ansonsten auch Geschäftsführer des Bündnis Porz-Mitte ist, hat mit anderen die Initiative »Porzer und Freundinnen und Freunde für die Gedenkstätte« gegründet. Sein Mitstreiter Jochen Geis hat Mahnwachen organisiert. Doch alle Bemühungen und Interventionen bei der Stadt, die Zerstörung der Gebäude zu verhindern, sind gescheitert. »Es ist eine Schande, wie die Stadt Köln hier Geschichte entsorgt. Der Umgang mit diesem Ereignisort verhöhnt die dort Gefolterten«, sagt Schäfer. Eine Stele zum Gedenken sei zu wenig. Es brauche einen Raum, an dem Ausstellungen und Veranstaltungen stattfinden und wo auch Schulklassen sich über die Porzer Geschichte informieren können. Gerade dieser Ort, der nie ein offizielles Lager war, stehe dafür, wie bereitwillig Menschen dem Regime auf lokaler Ebene zugearbeitet hätten, sagt Schäfer. »Es ist ein völliger Anachronismus, wenn Porzer Schulklassen in die Kölner Innenstadt zum NS-Dok fahren sollen, um dort die Machtübernahme der Nazis in Porz nachzuvollziehen.« Zumal sich dort zur Porzer Geschichte von Verfolgung und Faschismus nur wenig finde, weil Porz damals nicht zu Köln gehörte. »Erinnerungsarbeit findet am besten vor Ort, in authentischen Gebäuden statt«, so Schäfer. Das ist nun nicht mehr möglich. In welcher Form überhaupt noch ein Gedenken und Erinnern am Hochkreuz ermöglicht werden soll, kann derzeit in der Stadtverwaltung niemand sagen.