Return to Seoul
»Ich könnte dich mit einem Fingerschnippen aus meinem Leben löschen«, sagt die junge Französin Freddie zu ihrem Partner in einem Taxi in Seoul. Es wird das letzte Mal sein, dass er in Davy Chous »Return to Seoul« zu sehen ist. So ergeht es vielen Figuren, die Freddie trifft. Der Filmemacher zeigt das Leben seiner mal gefühlskalten, mal verletzlichen Protagonistin über unstete Beziehungen und die impulsive Unergründlichkeit des Seins. Freddie kommt aus Paris nach Südkorea, um ihre leiblichen Eltern zu finden. Über acht Jahre kehrt sie immer wieder zurück, verschwindet, taucht auf. Der Film operiert mit Zeitsprüngen, sodass man sich bald ähnlich verloren fühlt wie die Figur. Das spricht für »Return to Seoul«, damit trifft er ein schwer zu greifendes Gefühl. Man könnte es eine Reise nennen, die dazu verdammt ist, niemals zu enden. In Südkorea trifft Freddie nicht nur auf eine Kultur, die sie nicht versteht, sondern auch auf eine kaum zu bewältigende Verlorenheit in sich selbst. Ihre leibliche Mutter meldet sich lange nicht bei der Adoptionsagentur, ihr Vater, ein reuevoller Alkoholiker schon. Er will, dass Freddie bleibt, aber Freddie erstickt im Konservatismus ihrer Verwandtschaft.
Sie driftet durch die Nächte, schläft mit Zufallsbekanntschaften und lässt sich sogar mit einem Waffenhändler ein. Der Film trägt dick auf. Zeitlupen, neonbeleuchtete Tanzszenen und eine recht klischeebeladene Auseinandersetzung mit den Extremen der koreanischen Gesellschaft, Alkoholismus, ein selbstverständliches Patriarchat, kaum Flexibilität. Zwischendurch Kitsch, etwa ein trauriges Klavierstück, das der Vater komponiert hat und ständig in den Augen der Protagonisten stehende Tränen. Das komplexe Verhältnis zwischen Adoptivkind, Agentur und Eltern bewegt dagegen wirklich. Sie möge es, umarmt zu werden, heißt es in Freddies Dokumenten, die ihre Eltern mit ihr abgegeben hatten. Aber niemand kann sie halten, sie möchte auch nicht gehalten werden. In diesem Paradox existiert »Return to Seoul« und verdankt es seiner grandiosen Laien(!)darstellerin Park Ji-min, aus deren Gesicht Angst und Courage, Trotz und Abneigung zugleich aufleuchten, dass man die Sprunghaftigkeit des Films und das biedere Heldinnenreise-Drehbuch als Lebensnähe wahrnimmt. In ihren Blicken versteckt sich das, was der Film eigentlich spüren lässt: Wir sind nicht für das Glück gebaut, höchstens für ein wenig weniger Unglück.
(Retour à Séoul) B/D/F/KAT 2022, R: Davy Chou, D: Park Ji-min, Oh Kwang-rok, Kim Sun-Young, 119 Min.,