Durfte nicht unterrichten: Angelika Lehndorff-Felsko in Köln; Foto: privat

Die Vergessenen

Das Nö Theater zeigte im Dezember eine Lesung zum Radikalenerlass der 70er Jahre

Vor dem Eingang vom Studio Trafique in der Merheimer Straße steht eine Feuertonne, die meisten, die an diesem Abend gekommen sind, tragen Schwarz. Irgendwie alles Szene hier, bis vielleicht auf die Handvoll älterer Menschen, ganz vorne in den ersten Reihen. »Das sind die Betroffenen«, raunt einer ein paar Plätze weiter. »Die kommen heute umsonst rein.« Es ist Premieren-Abend für das Nö Theater, Kölns Künstler*innen-Netzwerk mit »dezidiert politischem Impetus«, wie es in ihrer Selbst­beschreibung heißt. An diesem Abend auf dem Programm: »Die Vergessenen«, eine Lesung über den Radikalenerlass, der im Januar 1972 von der Konferenz der Ministerpräsidenten unter Vorsitz von Bundeskanzler Willy Brandt verabschiedet wurde.

Mit geheimdienstlichen Mitteln wurde in dieser Zeit die Gesinnung von über einer Million Angehörenden oder Bewerber*innen des öffentlichen Dienstes überprüft, um im Nachklang der 68er-Bewegung eine »kommunistische Unterwanderung« zu verhindern. Das Nö-Theater, vertreten durch drei Schauspieler*innen auf der Bühne, bringt diese Episode anhand von zeithistorischen Texten auf die Bühne. Im Zentrum steht eine Lehrerin aus Köln, die wegen ihrer Mitgliedschaft in der DKP ein Berufsverbot erhielt und jahrelang immer wieder mit absurden Verhören konfrontiert wurde, bis sie wieder in einer Schule unterrichten durfte.

Die Schauspielerin Soraya Abtahi trägt den autobiografischen Bericht der Lehrerin auf einem durch ein Podest erhöhten Stuhl vor, manchmal etwas zu lang und bewegungslos. Asim Odobašić und Felix Höfner spielen die Verfassungsschützer als klamaukiges trouble couple, das hinter Briefkästen hervorlugt und am liebsten Agent spielen möchte, Anne Katharina Müller mimt die Person gewordene Bürokratie. Mit strenger Mine stellt sie die vermeintlichen Delinquenten zur Rede — auch Regisseur Janosch Roloff, der vom Mittelgang der Sitzreihen aus den Verhörten gibt — geradezu absurd kafkaesk. So endet auch das Stück mit Kafkas »Türhüterparabel« und der Erkenntnis, dass dieser Teil der Geschichte noch immer unaufgearbeitet ist und die Betroffenen nie entschädigt wurden.

Korrektur: In der vergangenen Ausgabe ist uns im Artikel »Ein Blick zurück« ein Fehler unterlaufen: Es stimmt nicht, dass das Kölner Ensemble Paradeiser Productions im Programm des »Spark«-­Festivals für aktuelles Musiktheater vertreten war. Wir entschuldigen uns für diesen Fehler!