Lady Hercules
Am 6. Mai 1884 kam Katharina Brumbach zur Welt, in einem Zirkuswagen in Baden bei Wien, als Tochter einer bayerischen Zirkusfamilie. Ihre Eltern, beide Kraftakrobat*innen, erkannten früh das Muskelpotential ihrer Tochter: Bereits im Alter von zwei Jahren trat sie gemeinsam mit ihrer Familie auf, vier Jahre später konnte sie angeblich schon schlappe 110 Kilogramm anheben. Riesige Gewinnsummen wurden ausgesprochen, für denjenigen, der es im Ringkampf mit Katharina Brumbach aufnehmen konnte — ihren Ehemann Max Heymann, mit dem sie gegen den Willen ihrer Eltern Richtung Norwegen durchbrannte, lernte sie tatsächlich in der Arena kennen. Mit einem einzigen Schwung hatte sie ihn besiegt und anschließend aus dem Ring getragen. Soweit die Geschichte.
»Kraftfrauen« waren damals keineswegs ein neues Phänomen. Auf Jahrmärkten, in Boulevard-Shows und im Zirkus wurden sie als Hauptattraktionen gehandelt. Bereits im 17. Jahrhundert berichtete man von einer Mademoiselle Gruel, die im Alter von 15 Jahren 200 Kilogramm gestemmt haben soll. 1780 bewunderte man dann eine gewisse Marie Audiger, die mit ihren Haaren Gewichte schleppte und Ende des 19. Jahrhunderts (also bereits nach der Zeit von Lady Hercules) tourte die Belgierin Madame van Hufelen als »stärkste Frau der Welt« durch Europa. Doch sie alle trafen auch auf harsche Kritik: Als »Mannweiber« wurden die Athletinnen attackiert, generell würde Sport, so hieß es damals, die Organe von Frauen schädigen. Katharina Brumbach kümmerte sich um derlei Anfeindungen nicht. 1909 und 1918 trat sie hochschwanger vor ihr Publikum, konnte ein Karussel tragen, auf dem sich 14 Personen drehten und ließ Menschen, Pferde und Autos eine auf ihrem Brustkorb montierte Brücke überqueren.
1912 schloss sich die Zirkusartistin dem Kampf der Suffragetten an, die wiederum sprachen öffentlich ihre Bewunderung aus, weil sie zweimal am Tag beweisen würde, dass sie »so viel Mut und Ausdauer wie ein Mann habe«, wie die bekannte New Yorker Feministin Elisabeth Crook gegenüber der New York Times sagte. Katharina Brumbach hingegen, man kann es nicht anders sagen, machte einfach ihr Ding: trug kein Korsett, trank Wein und Bier — und eröffnete, als sie keine Lust mehr auf den Zirkus hatte, mit 63 Jahren ein Restaurant mitten im New Yorker Stadtteil Queens.