»Man müsste mal was auf der Schäl Sick drehen«
Herr Heineking, »Der Pfau« ist die Verfilmung des gleichnamigen Buchs von Isabel Bogdan. Es geht um schnöselige Investmentbanker, die sich auf einem schottischen Schloss zum Teambuilding treffen. Wie kamen Sie an den Stoff?
Ich war im Allgäu im Urlaub und irgendjemand las am Pool das Buch. Mir gefiel das Cover und ich habe mir das Buch bestellt, samt einer Flasche schottischen Whiskys. Und dann passierte, was auch in der Geschichte passiert — wir schneiten ein! Das war für mich wie ein Zeichen. Ich nippte an meinem Whisky und hab mich dann abends getraut, Isabel Bogdan über Facebook eine Nachricht zu schreiben. Sie schrieb umgehend zurück, dass schon andere Filmproduktionen dran seien, wir aber mal reden könnten. Als dabei rauskam, dass wir beide in Lindenthal in derselben Tanzschule waren, war alles klar und ich bekam den Zuschlag.
Werden Bestseller-Verfilmungen automatisch Blockbuster?
Das will ich doch hoffen! Aber eine Garantie hat man nicht. Ich hoffe schon, dass die vielen Leser*nnen des Buchs auch den Film sehen wollen, und da hilft es sicherlich, dass Isabel sehr überzeugt von dem Film ist. Das ist ja nicht immer so, oft sind Buchautor*innen sehr verhalten den filmischen Adaptionen gegenüber.
Jürgen Vogel, Annette Frier, Tom Schilling, Lavinia Wilson — man darf bei »Der Pfau« von Star-Kino sprechen. Ist es einfach oder schwierig, mit namhaften Schauspieler*innen zu arbeiten?
Mit Jürgen, Annette und Lavinia hatte ich bereits gearbeitet, auch mit Serkan Kaya, die anderen waren neu. Es hat Vor- und Nachteile, mit bekannten Namen zu arbeiten. Wir hatten nicht sehr viel Drehzeit, da haben dann die Vorteile überwogen. Natürlich haben Stars ihre Agenda und ihre Egos, aber wenn sie das nicht hätten, wären sie in dem Beruf falsch. Das muss man einfach klug nutzen. Ich selbst bin auch nicht frei von Narzissmus.
Der Stadtteil Nippes wird in »Der Pfau« gleich zu Beginn prominent platziert. Veedels-Patriotismus?
Ich lebe in Nippes in der alten Bonbon-Fabrik meiner Großeltern, hier sitzt auch meine Produktionsfirma Eitelsonnenschein. Ich habe schon einen starken Bezug zu diesem Stadtteil. Es ist Heimat und ich versuche, Nippes in meinen Arbeiten auch immer zu platzieren, so gesehen ist es auch ein Running Gag.
Die Produktionsfirma hat eine Zweigstelle in Berlin. Müsste es nicht umgekehrt sein?
Nein, das hat auch ganz praktische Gründe, weil wir die meisten Fördergelder über die Filmstiftung NRW generieren. Tatsächlich wurde Eitelsonnenschein in Berlin gegründet. Aber ich bin vor 17 Jahren von Berlin zurück nach Köln gezogen, weil mir Berlin zu unruhig war. Ich fand die Stadt in dieser Phase sehr anstrengend und konnte dort nicht zur Ruhe kommen. Wenn man mal zwei Wochen verreist war, waren deine Clubs nachher nicht mehr da, während hier das »Em Golde Kappes« seit Jahrzehnten an seinem Platz an der Neusser Straße steht. Es war anstrengend in Berlin, up to date zu bleiben, zu wissen, wo gerade der »heiße Scheiß« in der Stadt ist.
Abgesehen von der Filmförderung, ist Köln ein guter Ort für Filmemacher*innen?
Köln hat industriell gesehen mit den MMC-Studios in Ossendorf einen Vorteil. Dort haben wir auch einen Teil der Innenaufnahmen für »Der Pfau« gedreht. Darüber hinaus wäre es aber dem Kölner Größenwahn geschuldet, anzunehmen, dass wir die deutsche Filmstadt seien. Das sieht man auch daran, dass die amerikanischen Produzenten immer noch zuerst Berlin ansteuern, wenn sie nach Deutschland kommen. Berlin hat auch einen höheren Freizeitwert. Dass die Menschen in Köln viel Soul haben, ist fürs Filmemachen nicht so entscheidend, aber für den Lebensmittelpunkt ist mir das sehr wichtig.
Ihre Fernsehserie »Andere Eltern«, für die Sie 2020 den Grimme-Preis bekamen, hätte mit der Darstellung übergriffiger Helikopter-Eltern auch wunderbar am Prenzlauer Berg spielen können, war aber ebenfalls in Nippes angesiedelt …
Prenzlauer Berg, wo ich gewohnt habe in meiner Berliner Zeit, wäre mir zu sehr Klischee gewesen. Die Wahl fiel auf Nippes, weil ich da die anderen Eltern immer um mich herum habe … weil sie mir da auf den Sack gehen!
Ich kenne keine Trennwand zwischen Kunst und ›Tresen-Content‹
Lutz heineking
Welche Kölner Ecken warten noch darauf, einen Platz auf der Leinwand oder im Fernsehen zu bekommen?
Ich werde immer versuchen, Filme in Köln zu drehen und Kölner Geschichten zu erzählen. Man müsste bald mal was auf der Schäl Sick drehen, weil sich da sehr viel tut. Am Mülheimer Hafen beispielsweise. Ich bin kein Heimatfilmer, aber was ich hier drehen kann, drehe ich hier. Es ist ja auch bequem: Bei »Andere Eltern« hatten wir viel Improvisation, da war es praktisch, mal eben meine Gemüsefrau zu fragen, ob wir bei ihr schnell eine kleine Szene drehen können, ohne formale Drehgenehmigungen einholen zu müssen.
Sie haben zunächst in New York und London studiert, bevor Sie an der Kunsthochschule für Medien in Köln diplomiert haben. Was haben Sie aus diesen drei Städten mitnehmen können?
In New York war ich mit Anfang 20 nur sehr kurz — es war mir doch zu viel große weite Welt und zu weit weg von Köln. Ich bin dann nach London gegangen, wo ich sehr viel gelernt habe. Ich glaube, man merkt meiner Arbeit auch an, dass ich einen sehr starken Bezug zum britischen Humor habe. England hat mich gelehrt, mutiger zu sein, die Dinge anders anzugehen.
Viele Produzent*innen und Regisseur*innen wünschen sich, dass die Fernsehsender verstärkt Filme fördern, aber weniger bei der Realisierung von Produktionen mitreden sollen. Ein berechtigter Wunsch?
Ich drehe fürs Fernsehen und mache auch viel Werbung. In beiden Fällen habe ich den absoluten Horrorkunden noch nicht erlebt. Aber ich verstehe den Wunsch nach mehr Unabhängigkeit, denn natürlich fällt auf, dass es im deutschen Fernsehen ein Schema F gibt. Die Strukturen aufbrechen, das halte ich schon für richtig, weil sich Sender und auch Verleihe gerne auf einem Erfolgsthema ausruhen und weniger auf Innovatives setzen. Das sind die Engländer oder Skandinavier ganz anders drauf.
Ist es die anglo-amerikanische Prägung, keine Trennwand zwischen Kino und Kommerz zu kennen?
Nein, bei Werbefilmen geht es allein ums Geldverdienen. Wo ich keine Trennwand kenne, ist zwischen Kunst und dem, was ich Tresen-Content nenne. Gerade wurde unsere Doku »Alaaf — 200 Jahre Kölner Karneval« über die Geschichte des Karnevals im WDR Fernsehen gezeigt. Auch dieser Film ist mir sehr wichtig. Wir sind vom Selbstverständnis eben eher Em Golde Kappes als Hotel Excelsior.
D/B 2022, R: Lutz Heineking Jr., D: Lavinia Wilson, Serkan Kaya, Tom Schilling, 105 Min., Start: 16.3.