»Mich macht das wütend«
Herr Wittrock, warum haben Sie 2021 die Initiative gegründet? Wir haben damals für unseren Sohn einen Platz an einer weiterführenden Schule gesucht und überhaupt erst bemerkt, wie katastrophal das Prozedere in Köln ist. Schon damals hat man die Kinder in Losverfahren gegen ihre Schulkamerad*innen antreten lassen. Als die Stadt mit einer Pressemitteilung im Mai das Bewerbungsverfahren für beendet erklärte, befanden sich noch rund 60 von ihnen in der dritten Losrunde. Mich und viele andere betroffene Eltern hat das schockiert, wir haben Demonstrationen organisiert und offene Briefe geschrieben. Daraus ist die Initiative »Die Abgelehnten« entstanden.
Verbessert hat sich seitdem aber nichts, oder? Leider nein. Nach dem totalen Chaos im vergangenen Jahr, als viele Eltern ihre Kinder an mehreren Schulen anmeldeten und der Stadt das Verfahren komplett entglitten ist, hat sie nun wieder das Verfahren vom Jahr davor herausgekramt. Völlig bizarr, denn das war ja ebenfalls gescheitert. Dass die von Oberbürgermeisterin Henriette Reker eingerichtete »Task Force Schulbau und Schulplätze 2023/24« nun vier Schulen auffordert, weitere Klassen zu schaffen, obgleich drei dieser Schulen das nicht wollen, zeigt ebenso, wie dramatisch die Lage ist.
Sollten die Schulen angesichts des akuten Mangels nicht der Erweiterung zustimmen? Solidarität für die Kinder wäre wichtig, ja. Aber für mich ist auch nachvollziehbar, dass die Schulleitungen nicht mehr länger für die Versäumnisse der Stadt gerade stehen wollen, zumal Zusagen in der Vergangenheit oft nicht eingehalten wurden. Auch für die Schulen ist die Lage dramatisch. Einige sind nun dazu übergangen, nur noch Kinder aufzunehmen, die in der Nähe wohnen, dazu sind sie ja berechtigt. Etwa das Thusnelda-Gymnasium in Deutz. Das hatte noch vor zwei Jahren eine Mehrklasse für Schuler*innen von weiter weg eingerichtet und dann das Längenkriterium eingeführt. Andere Schulen haben ihre Profile zuletzt noch mal geschärft. Grundsätzlich ein tolles Angebot, etwa mit einer zweiten Fremdsprache starten zu können. Nur: In einer Situation absoluter Platzknappheit verschärft man damit das Problem, weil diese Plätze nicht mehr für alle Kinder infrage kommen.
An jeder dritten städtischen Grundschule gab es mehr Anmeldungen als Plätze
Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, um die Situation zu verbessern? Mehr Schulplätze zu schaffen. Und solange ein derart großer Platzmangel herrscht, ein Verfahren organisieren, das transparent, sauber und präzise organisiert wird und die Belastungen für Eltern und Kinder minimiert. Eine Task Force reicht nicht, es braucht einen Runden Tisch, bei dem alle gemeinsam nach Lösungen suchen, statt mit dem Finger immer auf die anderen zu zeigen. Dass das Schuldezernat mit Robert Voigstberger (SPD) in Händen der Opposition liegt, macht die Sache politisch sicher nicht leichter.
Wie sieht die Lage an den Grundschulen aus? Leider nicht viel besser. In diesem Jahr gab es an jeder dritten städtischen Grundschule mehr Anmeldungen als Plätze. Es wird das erste Mal so sein, dass nicht jedes Kind einen Platz in der Nähe bekommt — wie viele das betrifft, weiß man bei der Stadt nicht. Aber all diese Kinder wurden vor sechs Jahren geboren, seither ist klar, dass sie einen Schulplatz brauchen werden. Jetzt scheitert die Stadt krachend an ihrem Leitprinzip »Kurze Beine, kurze Wege«. Mich macht das alles wütend. Oberbürgermeisterin Henriette Reker argumentiert, der Schulplatzmangel begründe sich in Versäumnissen der Vergangenheit. Dazu kann ich nur sagen: Diese Vergangenheit, von der sie da spricht, ist nun schon seit vielen Jahren ihre eigene.