Burakete (Süperdisco)
»Bitte darauf achten, den Nachnamen richtig zu schreiben: Burak Fahri Içer«, schreibt uns der DJ, Veranstalter und neuerlicher transkultureller Berater gleich im »PS«. Ein wichtiger Punkt, zumal sich deutsche Journalist*innen, Lehrer*innen und Normalbürger*innen immer noch schwer tun mit den Namen der ehemals sogenannten Gastarbeiter*innen und ihrer Kinder und Enkel. Doch gerade da, wo immer noch jede Pınar meist so angesprochen wird, als wäre ihr Nachname Colada, setzt Burak als Kulturarbeiter an. Seit Jahren schon vermittelt der gebürtige Schwabe mit familiärer Migrationsgeschichte aus der Türkei zwischen hiesigen und vorderasiatischen Längengraden.
Aus dem Kölner Nachtleben ist Burak Fahri Içer schon lange nicht mehr wegzudenken. Ob Stadt Venlo, Scheues Reh, Schnörres — lange Jahre sah man ihn an den Theken der Stadt und bald auch hinterm DJ-Pult. In Köln, wo aufgrund von Ford, KHD und Felten & Guilleaume viele Arbeiter*innen aus der Türkei angesiedelt wurden, gab es in den 60er und 70er Jahren eine florierende Szene für Musiker*innen des heute sogenannten Anadol(u) Rock. Das Kölner Label Türküola war zeitweise das umsatzstärkste Independent-Label Deutschlands.
Als vor etwa 15 Jahren Platten-Digger und Musik-Nerds begannen, sich vermehrt mit dieser musik-historischen Episode auseinander zu setzen, war Burakete als DJ am Puls der Zeit und einer der ersten, die mit dem Trend auf Tuchfühlung gegangen sind. Mal davon abgesehen, dass es für ihn gar kein Trend war, sondern durchaus die Musik seiner Kindheit.
Seitdem haben seine Aktivitäten viele Namen: Burakete, Süperdisco, Türkische Delikatessen. Immer geht es um gelebten Austausch — und schlicht um sehr gute, oft psychedelische, gelegentlich mikrotonale, funky Pop- und Rock-Musik aus dem großen Land Türkei — von Istanbul bis nach Trabzon oder in den Mersin, den kurdischen Gebieten und darüber hinaus.
In den nächsten Monaten möchte Burak Fahri Içer mit seiner »Süperdisko — Kultur Agentur« Aufklärungsarbeit, Awareness und transkulturelles Verständnis schaffen. Und dabei immer wieder auch an Plattentellern auftauchen sowie Konzerte veranstalten. Fünf für ihn prägende Alben liefert er für 1,2,3,4,5 Platten frei Haus.
1 Zafer Dilek, »Oyun Havalari«
Als Hintergrundmusik unzähliger türkischer Filme kannte ich das Album unbewusst eigentlich schon aus meiner Gastarbeiterkindheit. Wer hätte damals gedacht, dass dieses Meisterwerk heute einen unverkennbaren Einfluss auf Künstler:innen und Bands wie Altin Gün oder Koh Shin Moon hat.
2 Insanlar, »Kime ne EP«
Das Projekt Insanlar um die Istanbuler Musiker Barış K. und Cem Yıldız ist aus einer Livesession im legendären Istanbuler Club Minimüzikhol Anfang 2010er Jahre entstanden. Eine perfekte Fusion zwischen Club und mystischen anatolischen Klängen und Texten. Weine heute immer noch immer dem nach, als ich die Band 2015 ins Kölner Club Subway eingeladen hatte und Barış K. nach dem Konzert sagte: »Wenn die Aufnahme gut ist, pressen wir das auf Platte.« — Ich hatte das Aufnahmegerät vergessen.
3 Altin Gün, »On«
Der perfekte »Door Opener« zum Eintauchen in den türkisch-anatolischen Musikkosmos — sowohl zuhause als auch im Club. Altin Gün haben den türkischen Sound der 70er Jahre zu neuem Leben erweckt.
4 Barış Manço, »2023«
Barış Manço gehört zu den schillerndsten und wichtigsten Protagonisten der frühen türkischen Popmusikkultur. Das Konzeptalbum 2023 ist ein psychedelisch-progressiver Meilenstein des Anadolu Pop — kann man an einem Stück durchlaufen lassen oder mit einzelnen Tracks jedes DJ Set mit funky knowledge aufwerten.
5 Lalalar, »Bi Cinnete Bakar«
Mein aktuelles Lieblingsalbum — absoluter Tipp für 2023. Ende Januar konnte ich die Band endlich nach Köln holen. Sowohl live als auch auf Platte eine unglaubliche Energie. Wow, was ein Album, was eine Band! Postpunk gepaart mit starken Beats, Synthpop und Industrial, dazu die charismatische Stimme des Sängers Ali Güçlü Şimşek. Lalalar sind für mich derzeit einer der innovativsten Bands international.