Identitätssuche: Maria Schrader in »Vergiss mein Ich«, © Real Fiction

Phantastisches Kölle

Die Reihe »Auf den 2. Blick! Köln im Fokus« präsentiert Lokalkolorit auf der Leinwand

Die »Filmstadt Köln« dürfte nicht nur denen ein Begriff sein, die mit Sendeanstalten, Produktionsfirmen, Verleihern, Festivals, Filmhochschulen und -schaffenden vertraut sind. Regelmäßig gerät man im Alltag in Dreharbeiten, und das Augenrollen der Filmset-­Mitarbeiter*innen, die Wege versperren und Parkplätze blockieren, gehört zur Kölner Folklore. Köln als Kulisse ist denn auch der gemeinsame Nenner der Filmreihe »Auf den 2. Blick! Köln im Fokus« des Vereins »Köln im Film«, der sich die Erforschung und Präsentation der hiesigen Film- und Kinogeschichte auf die Fahnen geschrieben hat. An zehn Terminen in diesem Jahr zeigt der Verein Beispiele aus gut hundert Jahren Kölner Filmgeschichte, in denen vertraute ­Stadtansichten den Hintergrund der Handlung bilden.

Nach dem Auftakt der Reihe im Februar mit dem Stummfilm »Der Bettler von Köln« aus dem Jahr 1927, folgt im März »Science Fiction« von Franz Müller. Seine Abschlussarbeit an der KHM wird auch unter dem Titel »(Kein) Science Fiction« geführt, denn im Erstaufführungsjahr 2003 stritt man sich mit den Produzenten ­eines gleichnamigen Kinderfilms.  Wie auch immer, der Titel ist Programm, ein phantastisches Element spielt die tragende Rolle: Während eines Seminars nimmt der Motivationstrainer Marius (Jan Henrik Stahlberg) den verhuschten Teilnehmer Jörg (Arved Birnbaum) mit in den Flur, um das selbstbewusste Öffnen einer Tür zu proben. Mit einem Mal sind die übrigen Seminarteilnehmer*innen dahinter verschwunden und die beiden ungleichen Männer müssen feststellen, dass es sie in eine Parallelwelt verschlagen hat.  Sie gleicht der unseren bis aufs Haar, bis auf einen entscheidenden Unterschied: Jedes Mal, wenn sich eine Tür hinter den beiden Parallel­welt-Reisenden schließt, vergessen die Menschen auf der anderen Seite der Tür, dass es sie gibt.

Dieser Kniff entspricht zwar nicht ganz dem durch »Und täglich grüßt das Murmeltier« populär gewordenem Motiv der Zeitschleife, lädt jedoch auf ähnliche Weise zu allerhand Schabernack ein. Vor ­allem Marius nutzt die Situation weidlich aus, während Jörg Gefühle für Anja entwickelt, die Rezeptionistin des Hotels, in dem sie untergekommen sind. Doch die soziale Isolation macht beiden zunehmend zu schaffen. Da hilft es auch nicht, dass Marius ebenfalls anfängt, ein Auge auf Anja zu werfen. Köln ist in Müllers Film nicht nur im Hintergrund vertreten, zahlreiche Szenen sind improvisiert und beziehen Passanten spontan mit ein. Mit dem 2021 verstorbenen Arved Birnbaum, der lange Zeit das Schauspiel Zentrum leitete, steht außerdem ein bekannter Protagonist der Kölner Filmszene vor der Kamera. Das ­Ergebnis ist so originell wie vergnüglich, auch wenn das letzte Drittel, in dem sich die Beziehung der Hauptfiguren zur Dreiecksgeschichte entwickelt, den Film etwas in die Länge zieht.


Auch bei den fiktionalen Werken können wir auf einen reichhaltigen Fundus zurückgreifen
Marion Kranen, Köln im Film

Seit seiner Gründung 2013 hat »Köln im Film« eine umfangreiche Datenbank zur Filmgeschichte Kölns angelegt, die auf der Homepage einzusehen ist — wie auch die »Interviews mit Zeitzeug*innen«: Kölner Filmschaffende gewähren Einblick in ihre Arbeit und ihren Werdegang.  Mit »Auf den 2. Blick! Köln im Fokus« rücken jetzt erstmalig Spielfilme ins Zentrum. »In der Vergangenheit hatten wir vor allem Reihen zu konkreten Themen, wie Migrationsgeschichte oder Stadtentwicklung und -planung, da boten sich Dokumentationen eher an«, sagt Marion Kranen vom Verein. »Dieses Jahr aber wol­l­ten wir den Blick auf die fik­tio­na­len Werke richten, die in Köln gedreht wurden. Denn auch in diesem Bereich können wir in unse­rem Archiv auf einen reichhaltigen Fundus zurückgreifen.«  Die zehn ­Filme, die 2023 im Rahmen der Reihe zu sehen sein werden, bieten laut Kranen ganz unterschiedliche »Themen, Geschich­ten und Erzählweisen«. Im April etwa folgt »Vergiss mein Ich« (2014) von Jan Schomburg, in dem Maria Schrader nach dem Verlust ihres Gedächtnisses wieder ins Leben finden muss.  Wie bei den vergangenen Reihen, laden die Programm­ver­antwortlichen zu jeder Vorstellung einen Gast ein. Bei »Science Fiction« wird Regisseur Franz Müller anwesend sein und sich den Fragen des Publikums stellen. 

»(Kein) Science Fiction« D 2003, R: Franz Müller, D: Arved Birnbaum, Jan Henrik Stahlberg, Nicole Marischka, 112 Min., Di, 14.3., 20 Uhr, Filmhaus.
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