Nötigung tut Not
Mitte März gab Henriette Reker dem Deutschlandfunk ein Interview, es ging ums Klima. »Ich will unserer Stadt nicht zumuten, dass sie weiter darunter leidet«, so die Oberbürgermeisterin. Reker meinte aber nicht Hitze, Starkregen oder schmutzige Luft — sondern die Aktionen der »Letzten Generation«. Die Klimaschützer besetzten das Rathaus und blockieren immer wieder den Verkehr, indem sie sich auf Hauptverkehrsstraßen festkleben.
Wie etliche Oberbürgermeister hatte Reker von der Letzten Generation einen Deal angeboten bekommen: Die Aktivisten würden künftig von Protesten absehen, wenn sich Reker hinter ihre Ziele stelle: Tempolimit auf Autobahnen, 9-Euro-Ticket, Gründung eines sogenannten Gesellschaftsrats. Städte wie Hannover oder Tübingen waren darauf eingegangen. Reker nicht. »Ich lasse mich nicht nötigen«.
Reker hätte es sich leicht machen können. Sie hätte darauf verweisen können, dass sie ein anderes Demokratieverständnis habe. Dass sie Straftaten, für die Aktivisten zuvor verurteilt worden waren, für den falschen Weg halte. Dass sie aber nachvollziehen könne, dass junge Menschen besorgt um ihre zukünftige Lebensgrundlage seien. Vielen hätte das als Begründung gereicht.
Stattdessen stieg Reker inhaltlich ins Thema ein. Im Interview lobte sie Kölns Klimaschutz: Wahrscheinlich würden die Aktivisten »die ganzen Maßnahmen, die Köln ergreift«, gar nicht kennen. Sie nannte Programme zur Förderung von Fassadenbegrünung und Lastenrädern sowie den Hitzeaktionsplan, der Menschen vor Folgen des Klimawandels schützen soll. Sie verwies auf den vom Stadtrat beschlossenen »Klimanotstand«, der sich als unverbindlich erwiesen hat, und auf »Köln Klimaneutral 2035«, das ein vages Strategiepapier ist.
Seit Jahren handelt die Stadt beim Klimaschutz zögerlich. Dennoch gibt es kleine Fortschritte — meist wenn die Verwaltung Druck von außen spürt. Dass die Rheinenergie Strom- und Wärmeversorgung bis 2035 dekarbonisiert, hatte die Initiative Klimawende mit einem Bürgerbegehren angestoßen. Auf die Initiative RingFrei geht das Vorzeigeprojekt einer bislang verkorksten Mobilitätswende zurück. Die Deutsche Umwelthilfe hat in Köln die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte eingeklagt. Derzeit erstreiten viele Anwohner Tempo 30 vor Gericht. Die Wählergruppe Gut, mit zwei Mandaten im Stadtrat, hatte die Idee, Lastenräder zu fördern. Man kann sagen: Köln musste sich schon häufig zum Klimaschutz nötigen lassen.