Nichts gewusst
»Die Stadt Köln muss bekennen: Keine Verträge mit Akteuren in Steuer-Oasen!«, so Jörg Detjen, Ratsmitglied der Linken. Aber ist das nicht selbstverständlich? Offenbar nicht. Als Vorsitzender der Rechnungsprüfungsausschusses (RPA) drängt Detjen die Stadt, bei Miet- und Erbpachtverträgen mit international agierenden Firmen, genau hinzuschauen.
Im September hatte das WDR-Fernsehen in der Reihe »Die Story« im Zusammenhang mit der Opernsanierung die »fragwürdigen Finanzierungspraktiken« thematisiert. Es geht um Verträge, die die Stadt für Ersatzspielstätten während der Sanierung von Oper und Schauspielhaus abgeschlossen hat: Die Vertragspartner für die Anmietung des Staatenhauses an der Deutzer Messe und des »Depots« in Mülheim sind Firmen, die mit global agierenden Unternehmen in Steuer-Oasen verflochten sind.
Detjen kritisiert auch die Dezernenten Stefan Charles und William Wolfgramm, zuständig für Kulturbauten beziehungsweise Liegenschaften. Beide waren bei der Unterzeichnung der Verträge noch nicht im Amt, rechtfertigten im RPA aber das Vorgehen: Die Verstrickungen der Vertragspartner seien nicht bekannt gewesen. »Die Sorglosigkeit ist empörend«, so Detjen. »Ich vermisse auch eine grundlegende Stellungnahme zu Verträgen mit Firmen, die Modelle der Steuervermeidung betreiben.«
Dazu zählt für Detjen die BB- Group, die das Musical-Zelt am Hauptbahnhof betreibt. Das Unternehmen ist Teil eines Firmengeflechts mit Hauptsitz in der Steuer-Oase Cayman Islands. Eigentlich sollte das Musical längst ins Staatenhaus umziehen, es gibt einen Vorvertrag der Stadt dazu mit der BB-Group. Doch das Staatenhaus dient bis auf weiteres als Interim für die Oper, deren Sanierung sich seit 2015 immer wieder verzögert hat. »Dadurch entstehen der Stadt hohe Kosten — Geld, mit denen die Praktiken dieser Firmen unterstützt werden«, so Detjen. Er findet, dass der Public Corporate Governance Kodex, mit dem sich die Stadt 2020 auf Transparenz und Ausrichtung am Gemeinwohl verpflichtet hat, auch für Eigenbetriebe wie die Bühnen gelte müsse. Das ist derzeit nicht der Fall, wie der Kulturdezernent im RPA bestätigt.
Die Bühnen waren bereits mit Finanzgeschäften in die Kritik geraten. Patrick Wasserbauer, geschäftsführender Direktor, legte 2021 bei der Bremer Privatbank Greensill 15 Mio. Euro an, obwohl das Kreditinstitut angeschlagen war und bald darauf Insolvenz anmeldete — ein Teil des Millionenbetrags ging verloren. Wasserbauer legte auch Geld bei chinesischen und türkischen Banken an und zog, als das öffentlich wurde, moralische Vorwürfe auf sich.
Ich vermisse eine grundlegende Stellungnahme zu Verträgen mit Firmen, die Steuervermeidung betreiben
Jörg Detjen (linke)
Hans Schwanitz (Grüne), Vize-Vorsitzender des RPA, begrüßt die Diskussion. »Dass es Verträge der Bühnen mit Firmen gibt, die Steuervermeidungsmodelle praktizieren ist — vorsichtig gesagt — nicht ideal.« Das wirtschaftliche Handeln der Stadt und ihrer Eigenbetriebe solle künftig höheren Standards genügen. »Dazu zählen auch moralische Aspekte bei der Bewertung von Geschäftspartnern«, so Schwanitz. »Dass die Verwaltung ausreichend über Vertragspartner informiert ist, ist für mich Voraussetzung.« Es gehe nun darum, für die Zukunft klare Richtlinien zu haben.
Dazu und auch in Bezug auf das Greensill-Desaster verweist Schwanitz darauf, dass Kämmerin Dörte Diemert das sogenannte Cash Pooling auf den Weg bringt, ein Verfahren, bei dem das Wirtschaften der Eigenbetriebe für die Kämmerei transparent ist. Diemert hat dem Stadtrat gerade eine Beschlussfassung vorgelegt. Dass die Bühnen ohne Wissen der Kämmerei öffentliche Gelder bei einer angeschlagenen Privatbank anlegen, wäre dann nicht mehr möglich. Bleibt die Frage, ob die Stadt bei ihren Vertragspartnern zukünftig genauer hinschauen will. In dem WDR-Beitrag hatte OB Henriette Reker sich dazu nicht klar geäußert.
Jörg Detjen will weiter für das Thema sensibilisieren. Ob der Vorstoß zum Umdenken führt, wird sich schon bald zeigen. In den nächsten Monaten wird die Stadt weiter mit der BB-Group, die das Musical-Zelt betreibt, verhandeln. Gerade kam die Mitteilung über neue Probleme an der Opern-Baustelle. Würde sich erneut die Sanierung verzögern und die Anmietung des Staatenhauses verlängert, flösse noch mehr städtisches Geld an ein Unternehmen, das zu einem Firmenkonstrukt gehört, dessen Geschäftspraktiken die Stadt nicht unterstützen sollte, so Detjen.