Das Comic-Lesen, eine hohe Kunst: Kindheit in der Bilderwelt; Foto: Sabrina Didschuneit

Abenteuer der Bilderwelten

Im Cölner Comic Haus lernen Kinder die Geschichte US-amerikanischer Comic-Kultur kennen

Zwei Menschen, frisch verliebt, und eine Comic-Sammlung: So ungefähr beginnt die Geschichte des Hauses, das mitten in der Südstadt, mit Blick auf die Severinstorburg, die größte Bibliothek ­US-amerikanischer Comicbücher Kölns beheimatet. Denn als Susanne Flimm vor vielen Jahren zum ersten Mal die Junggesellenwohnung ihres Partners Thomas Schmitz-Lippert betrat, stockte ihr der Atem: »Alles war voller weißer Kisten, man kam kaum durch den Flur«, erinnert sie sich lachend an die Sammelleidenschaft ihres Mannes. »Ich hab mich dann auf den Hacken umgedreht und gesagt: Hier ist doch gar kein Platz für mich!«

Platz wurde dann aber ziemlich bald geschaffen: Kurzerhand gründeten Susanne Flimm und Thomas Schmitz-Lippert die Schmitz-Lippert-Stiftung zur ­Erforschung, Bewahrung und ­Vermittlung US-amerikanischer Comic-Kultur. »Mir ist klar geworden, wie viel Zeit, Leidenschaft und Geld mein Mann in diese Sammlung steckt«, erzählt Susanne Flimm rückblickend. »Und weil wir beide keine Kinder bekommen konnten, wollte ich sicher gehen, dass dieser Schatz bewahrt und weitergegeben wird.«

Auf einem im Krieg fast gänzlich zerstörten Grundstück an der Bonner Straße, das der Familie von Thomas Schmitz-Lippert gehörte, errichteten sie nach Umbauarbeiten das Cölner Comic Haus. Neben der Stiftung befindet sich dort heute auch eine Präsenzbibliothek und Ausstellungsräume mit wechselnden Veranstaltung. Und nachdem 2021 der Comic­laden im Erdgeschoss kündigte, entstand dort ein neuer Raum: das ComicLab, in dem regelmäßig Workshops für Kinder und Erwachsene und Lesungen angeboten werden. Ab dem 1. April dreht sich hier alles um das Thema »Love & Romance«.


Kinder kennen alle Comic-Namen, die ich mir mit mühseligem Auswendiglernen angeeignet habe
Susanne FLimm, Cölner Comic haus

»Jeder vierte US-amerikanische Comic, der in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verkauft wurde, war ein Love-and-Romance-Comic«, erzählt Susanne Flimm. »Der erste, der erschien, stammte sogar aus der Feder der Erfinder von Captain America — und dann ab 1977 ist das Genre plötzlich wieder verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.« Begeistert klingt sie, wenn sie über die ­Hintergründe der Comic-Kultur spricht, dabei: einen Comic selbst lesen? Dafür fehle es ihr am geschulten Auge. Die Lektüre von Bildergeschichten sei eine hohe Kunst, findet Susanne Flimm, und vor allem für junge Leser*innen ein gutes Medium, um das Lesen oder sogar eine neue Sprache zu lernen. »Ich staune immer wieder darüber, wie gut sich die Kinder auskennen, die zu unseren Führungen kommen«, sagt sie und lacht: »Sie kennen alle Namen, die ich mir mit mühseligem Auswendiglernen angeeignet habe.«

In der aktuellen Ausstellung im Programm: »Science Fiction!«, angefangen bei frühen Sci-Fi-­Zeitungsstrips bis zu Star Trek und Star Wars. Gewünscht haben sich dieses Thema die Kinder selbst. Der Schwerpunkt liegt nun auf Buck Rogers, einem frühen Held der 1920er Jahre, der durch einen Unfall mit radioaktivem Gas in einen 500 Jahre währenden Stillstand versetzt wird, um nach dem Erwachen erst Amerika von einer Besatzung zu befreien und anschließend zur Gefahrenabwehr in den Weltraum aufzubrechen. »Und dann«, wie es in der Ankündigung zur Ausstellung heißt: »to boldly go where no Comic Books have gone before — Star Trek.«

Jedes Genre sei vergleichbar mit einer riesigen Landkarte, sagt Susanne Flimm, einer Landkarte, auf der es viele Orte, Figuren und Abenteuer zu entdecken gäbe. Und die Zukunft des Comics? Ungewiss, aber bis in alle Ewigkeit ­gesichert! »Die Geschichten, gerade die der US-amerikanischen Comics, werden seit Jahrzehnten immer wieder erzählt«, sagt Susanne Flimm. »Mit gewissen Abwandlungen ­natürlich, aber sie wandern durch unterschiedliche Medien wie Games, Kinofilme, Serien.« Susanne Flimm stellt sich vor, dass man in einigen Jahren mit VR-Brillen in die Welt der Comic-Figuren ­eintauchen kann — und dabei vielleicht selbst in Rollen schlüpft, um in einer Spielumgebung wahnwitzige Abenteuer zu erleben.

cöln comic haus, Bonner Str. 9, coelncomic.de