Helena Baumeister: »Oh Cupid«
»Ich komm nicht noch mit runter«, erklärt Helenas Online-Date nach einer miteinander verbrachten Nacht. Frustriert zieht sie Richtung Bahnhof, beobachtet von zwei vorlauten Amseln, die in dem Verhalten der beiden ein Muster zu erkennen glauben. Am Tag zuvor hatte Helena nach einer Demo zum »Internationalen Tag gegen patriarchale Gewalt« schüchtern ihr namenloses Date gefragt: »Ähm — ist es für dich ok, wenn ich bei dir penne?« Die Machtverhältnisse sind klar sortiert, er entscheidet, sie bittet und hofft. Die patriarchale Gewalt ist präsent, auch wenn beide dies nicht wahrhaben wollen — sie negiert die Abhängigkeitsverhältnisse, er lebt ein alternatives Leben in einem Hausprojekt. Helena Baumeister hat in ihrem Comicdebüt »Oh Cupid« über die Sehnsucht nach Nähe in Zeiten der Pandemie und die Verlockung des Online-Dating, einen Blick auf die mit dieser Form des Kennenlernens verbundenen Projektionen aber auch die darunter liegenden Machtverhältnisse geworfen. Die Naivität der Protagonistin ist einige Male kaum zu ertragen, ebenso wenig wie die Selbstgefälligkeit ihres Gegenübers. Doch gerade hier werden die Widersprüche zwischen dem eigenen politischen Selbstverständnis und der tiefen Sehnsucht nach einem anderen Menschen deutlich.
avant-verlag, 104 Seiten, 18 Euro