S.Rudat: mutig über Scham sprechen; Foto: Oliver Strömer / Amaze

Schäm dich nicht!

In »Shame you WHAT?!« entblättert S. Rudat die ­verschiedenen Facetten der Peinlichkeit

Ein großer, leerer Bühnenraum: Die Beleuchtung spartanisch, vor einem Lametta-Vorhang ein Mensch auf dem Boden. Bewegungslos, mit dem Gesicht nach unten. Anlass für Interpretationen. Diese Einladung, den eigenen Gedanken nachzugehen, wird den Abend über nicht aufhören. In »Shame you WHAT?!« von S. Rudat geht es um Scham, aber der Flyer verrät noch mehr, auch Fremdscham und schwierige ­Jugend sollen thematisiert werden. Also eher ein Stück, das in Begleitung mehr Spaß macht oder zumindest weniger weh tut? Die coronabedingten leeren Sitze im Barnes Crossing in Rodenkirchen sorgen zusätzlich für einen intimen Charakter. Es gibt kein Entkommen. Und es wird nicht zu viel versprochen, auch wenn die Fremdscham glücklicher­-weise ausblieb.

Die Konfrontation mit sich selbst beginnt direkt am Anfang und dauert an. Etwa durch komödiantisch eingeleitete Parts wie shame shopping, bei dem durch eine irrsinnig schnelle Aneinanderreihung von Fragen zum ei­genen Verhalten immer weitere ­Facetten von Scham entblättert werden. Soll ich immer die Wahrheit sagen oder doch lieber lügen? Ist es am Ende vielleicht angenehmer, diesen Abend ohne ­Begleitung zu verbringen, sich ­alleine und immer unausweichlicher mit der eigenen Scham ­konfrontiert zu fühlen? Und ist es am Ende angenehmer, mit Antworten, Erinnerungen und Gedanken in einem Raum mit Unbekannten zu sein? Schon während des Stücks bieten diese Parts ­Gelegenheit, einzelnen Gedanken, die an vielen Stellen von ­einer Frage zur nächsten springen, nachgehen zu können.

Gleichzeitig ist »Shame you WHAT?!« so dicht, dass auch noch Tage nach dem Theaterbesuch Szenen vor dem inneren Auge ­erscheinen. Und vielleicht wünschen sich einige, die zugeschaut haben, nach ein paar Tagen doch eine Begleitung — eine, mit der gemeinsam die Liedtexte nachgelesen werden könnten, die doch allzu schnell verklungen sind, mit der Sätze zu Beziehungsweisen diskutiert werden könnten, über die noch zu wenig gesprochen wurde, mit der Antworten gegeben und noch mehr Fragen gestellt werden könnten, die sich mit Körper und eigenem Wohlbefinden beschäftigen oder mit der sich verständigt werden kann: Rückblickend bleibt vor allem der Mut, all diese Fragen zu stellen und Antworten zu wagen. Und Scham tritt mehr und mehr in den Hintergrund.