Shootingstar: Thea Ehre, © Grandfilm

»Ich mache nicht Schauspiel, weil ich trans bin«

Berlinale-Preisträgerin Thea Ehre über die Dreharbeiten zu »Bis ans Ende der Nacht« und warum sie Vorbild, aber nicht Aktivistin sein will

»Bis ans Ende der Nacht« ist Ihre erste Kinorolle, für die Sie bei der Berlinale gleich mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurden. Was hat der Preis ausgelöst?

Zuerst war nur Freude, dann kam das Gefühl, beweisen zu müssen, dass ich den Preis auch verdient habe. Ich versuche, locker zu bleiben und mich nicht unter Druck zu setzen. Deswegen steht der Silberne Bär jetzt auch nicht bei mir, sondern bei lieben Menschen.

Sie sind trans, spielen im Film eine Transfrau. Hatten Sie Bedenken, die Rolle anzunehmen?

Zuerst gab es ein virtuelles Casting, ich war in Wien, der Regisseur Christoph Hochhäusler in Berlin. Danach bekam ich das Drehbuch und wurde zum persönlichen ­Vorsprechen eingeladen. Beim Lesen hatte ich tatsächlich einige Fragen. Beim Treffen haben wir dann erstmal nur über das Skript gesprochen. Es war schön zu sehen, dass es Christoph wichtig ist, sich auszutauschen. Ich habe direkt gesagt, was ich anders machen würde und stieß damit auf offene Ohren. Das Team war dankbar, dass ich meine eigenen Erfahrungen geteilt habe. Dabei habe ich von Anfang an klargestellt, dass ich eine Transfrau bin, aber keine Aktivistin oder Beraterin. Ich kann nur für mich sprechen, möchte gar nicht verallgemeinern oder Sprachrohr sein.

Was hat Sie an der Figur Leni interessiert und wie habe Sie sich die Rolle angeeignet?

Weil es meine erste große Rolle war, fühlte ich mich anfangs ein bisschen überfordert. Ich habe mir einen Schauspielcoach gesucht, mit dem ich mich austauschen konnte, der einen anderen Blick hatte. Als ­Vorgeschichte war für mich Lenis Aufenthalt im Gefängnis sehr wichtig. Mir vorzustellen, was es bedeutet, als Transfrau im Männerknast zu sein. Ich habe dann viel recherchiert und bin dabei auf eine Transfrau gestoßen, die 30 Jahre in einem britischen Männergefängnis saß. Mit ihr konnte ich viele Stunden über ihre Erfahrungen sprechen.

Auch wenn Sie sich nicht als Transaktivistin verstehen, spüren Sie eine Verantwortung, was Sichtbarkeit und Repräsentation angeht?

Ich möchte unterscheiden zwischen Vorbild und Aktivismus. Eine Vorbildfunktion übernehme ich gerne. Aber ich mache nicht Schauspiel, weil ich trans bin. Ich bin Schauspielerin. Und trans. Punkt. Und ich will nicht, dass es mich in meiner Arbeit einschränkt, möchte verschiedenste Rollen spielen. Natürlich ist es toll, ein Vorbild sein zu können, wenn es irgendwo eine kleine Thea gibt, die mich sieht und denkt: »Ich kann auch Schauspielerin werden!«

Es gibt immer noch so wenige queere Menschen vor der Kamera
Thea Ehre

Sie waren vor zwei Jahren bei #ActOut dabei, als 174 queere Schauspielende gemeinsam an die Öffentlichkeit gingen. Was hat sich seitdem verändert?

Mir war wichtig, ein Statement zu machen, aber auch in Verbindung zu treten mit anderen queeren Menschen aus der Branche. Viele von denen sind inzwischen Freund*innen geworden und es kommen immer mehr dazu. Das war ja keine einmalige Aktion oder etwas, das stehengeblieben ist. Ich kannte die Filmbranche davor nicht, aber ich habe den Eindruck, dass es großen Einfluss hatte und hat.

Auch was Sensibilisierung und Offenheit bei Besetzung, Produktion und Regie angeht?

Ich hatte das Glück, bisher nur mit Regiemenschen gearbeitet zu haben, die total offen sind. Das brauche ich auch, um mich am Set wohlzufühlen. Die Arbeit der schauspielenden Person ist so sensibel und durchlässig, da muss alles herum passen. Und es ist wirklich kein Luxus zu sagen, dass ich mit den richtigen Pronomen angesprochen werden will.

Eine Rolle wie »Leni« würde heute wohl, anders als noch vor wenigen Jahren, nicht mehr mit einem cis Mann besetzt werden. Wie nehmen Sie diese Entwicklung wahr?

Ich finde es richtig und wichtig, dass es jetzt eine Sensibilisierung gibt. Es gibt noch immer so wenige queere Menschen vor der Kamera, da öffnen sich gerade erst die Türen ein bisschen. Es geht darum, ihnen die Chance zu geben, ihr schauspielerisches Potenzial zu zeigen. Aber im Ideal geht es nicht darum, Rollen nur noch so zu besetzen, wie sie geschrieben sind, sondern dass jede*r theoretisch alles spielen kann. Und genauso wünsche ich mir, dass ich als Thea auch für eine cis Rolle besetzt werde. Da brauchen wir noch eine größere Offenheit. Abgesehen von Herkunft und Hautfarbe, das ist ein ganz anderes Thema.