Widerstand im Untergrund: Annette, die Heldin

Lebenswege einer ­Freiheitskämpferin

Das FWT zeigt mit »Annette, ein Heldinnenepos« eine wahre Geschichte politischer Rebellion

 

Jeder Krieg heute scheint wie ein Rückfall in die Vergangenheit. Der Angriff auf die Ukraine schockierte auch die Theaterwelt. Auf der Suche nach Stoffen geraten frühere Kriege wieder in den Blick.

Anne (Annette) Beaumanoir (1923-2022) zählt zu jenen, die sich dem Unrecht von Fremd­herrschaften widersetzten. In der straff organisierten Résistance im besetzten Frankreich mussten die einzelnen Mitglieder bereit sein, Schachfiguren zu werden, die über Pläne nichts Genaues wissen durften und allein auf ihre tägliche gefahrvolle Arbeit gestellt ­waren. Dabei brachten sie sich ­immer wieder in Lebensgefahr und gaben die Heimeligkeiten des bürgerlichen Lebens auf.

Als Anne mit 17 Jahren fran­zösischen Gefangenen in ihrem ­Heimatort einen Gefallen tat, ­ahnte sie freilich nicht, den ersten Schritt in eine neue Welt zu tun, in der alles Private dem Kampf zum Opfer fällt. In Paris trug sie, nun auch Mitglied der verbotenen Kommunistischen Partei, maßgeblich zur Rettung jüdischer Kinder bei, verlor aber ihren Geliebten, einen deutschen Juden.

Als sie in den 1950er Jahren Ferien in Algerien machte, wurde ihr bewusst, dass in dem zu Frankreich gerechneten Land eine Unterdrückung herrschte, die derjenigen ähnelte, die sie zehn Jahre vorher noch bekämpft hatte. Die mittlerweile erfolgreiche Medizinerin schloss sich im Algerienkrieg dem Untergrund an, um abermals Widerstand zu leisten — diesmal gegen ihr eigenes Land. Verurteilt und zur Flucht gezwungen, konnte sie nicht mehr in ihre Heimat zurück. Sie sah ihren Mann nicht wieder und trieb ein Kind ab.

Der klugen Inszenierung von Guido Rademachers gelingt es, viel Geschichte zu vermitteln, ­indem er und die Schauspieler*­innen Mirka Ritter, Daniel Kuschewski und Brit Purwin (»Puck« als beste Nachwuchsdarstellerin 2022) der literarischen Vorlage von Anne Weber (Deutscher Buchpreis 2020) dieselbe Lust am Erzählen abgewinnen und nach eigenen Haltungen fragen. Über einen Lebensweg hinweg werden die Kosten der Entscheidungen bewusst gemacht, die im Rückblick eine Heldin ausmachen. Ein besonderer Fokus wird auf wieder aktuelle Aspekte wie Chauvinismus und Propaganda gelegt. Die Inszenierung ist nominiert für den Kölner Theaterpreis 2022.

Freies Werkstatt Theater, 31.5., 1./14./17.6., 20 Uhr