Zigaretten im Müsli
Man kennt sie vom Toast Hawaii oder Frankfurter Kranz — die berüchtigte »Belegkirsche«: völlig verzuckerte, mit industriellen Aromen versetzte Sauerkirschen. Es gibt keinen Menschen, der sie mag. Dabei war sie als Cocktailkirsche einst Ausweis gehobener Lebensart. Aber es gibt kaum Bemühungen, diese Idee einer marinierten Sauerkirsche wieder mit Sorgfalt und Verstand umzusetzen.
Warum ist es überhaupt eine Sauerkirsche? Weil ihr Fruchtfleisch fester ist als das der Süßkirsche und sie sich daher besser für derartige Sperenzchen eignet. Den grundlegenden geschmacklichen Unterschied tragen Süß- und Sauerkirsche zwar im Namen, aber man sollte sich nicht darauf verlassen. Es gibt immer wieder süße Sauer- und saure Süßkirschen. Dennoch werden für den rohen Verzehr überwiegend die Sorten der Süßkirsche gekauft. Obst, so will es eine unhinterfragte Norm, muss süß schmecken. Und wenn nicht, hilft man mit Zucker nach. Damit werden vor allem Rhabarber, aber selbst auch Erdbeeren verlässlich ruiniert. Bei den Geschmacksqualitäten steht in der Beliebtheit für die meisten Menschen das Saure mit nur geringem Abstand vor der Bitterkeit. Allein der hierzulande äußerst sparsame Umgang mit Essig kann als Beleg dienen. Und selbst in den vereinzelten angeblich säuerlichen Limonaden, tauchen Zitrusnoten nur in einem insgesamt süßlichen Geschmacksbild auf.
Was nun die Sauerkirsche betrifft, ist Vorsicht ohnehin unbegründet. Dass sie wirklich sauer schmecke, ist übertrieben. Sie eignet sich für vieles, und es ist selten allzu waghalsig. Wenn man sie zunächst mit Kernen verarbeitet, hat man meist noch mehr Aromen, vor allem Mandeltöne. Wer Fleisch isst, sollte Sauerkirschen zu Wild probieren. Ansonsten adeln sie jeden Milchreis und sie sind gutes Obst für alle erdenklichen Kuchen und außerdem unabdingbar für Bayerisch Crème, die übrigens auch mit wenig Zucker schmeckt. Die Kombination mit Banane ist klassisch. Wer erinnert sich an KiBa?
Getrocknete Sauerkirschen sind intensiver, mit Noten von Erde, Tanninen, Schwarztee, wie sie auch gut gereiften Burgunder prägen. Kirschen zum Rotwein? Warum nicht. Ein anderer, wirklich kurioser Tipp kommt von Niki Segnet: Gebe man getrocknete Sauerkirschen mit Haselnüssen ins Müsli, schmecke es wie süßer Milchtee mit Zigarette. Sauer macht offenbar wirklich lustig.