»Durchaus Erlösrisiken«
Immer wieder mal ist zu hören, Köln brauche unbedingt eine Tanzsparte. Zwar gelte Köln als Hochburg, doch fehle eine eigene Kompanie mit angemessenem Spielort. Vor kurzem plante Kulturdezernent Stefan Charles, flankiert von der Kölner CDU, der er nahe steht, einen neuen Vorstoß — mit Erfolg. Im Juni beschloss der Stadtrat mit Stimmen von Grünen, CDU, Volt sowie Oberbürgermeisterin Henriette Reker, das Depot in Mülheim zur rechtsrheinischen Spielstätte der Kölner Bühnen insbesondere für den Tanz auszubauen. Köln hätte dann endlich neben Oper und Schauspiel am Offenbachplatz, wo 2025 wieder eröffnet werden soll, eine Tanzsparte.
Doch im Vorfeld gab es Gerangel im Ratsbündnis. Die Grünen mussten auf den Vorstoß ihres Partners CDU reagieren und setzten eine stärkere Rolle der Freien Szene in Mülheim durch. Dass der Tanz unter dem Dach der Bühnen organisiert wird, behagt nicht jedem. Für die SPD forderte deren kulturpolitische Sprecherin Maria Helmis stattdessen ein »Haus für die freien darstellenden Künste«, auch für den Tanz, jedoch keine Tanzsparte unter Federführung der städtischen Bühnen. Die Linke kritisiert, dass die Stadt zugleich die Hallen Kalk als Spielstätte aufgibt. Doch nicht nur die grundlegende Ausrichtung sorgt für Streit, sondern auch die Finanzierung des neuen Prestigeprojekts.
»Aufgrund der umfangreichen Unterlagen und der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit ist eine qualifizierte Prüfung der Unterlagen jedoch nicht möglich. Eine Kostenabweichung nach oben ist insofern nicht auszuschließen«, befand das Rechnungsprüfungsamt wenige Tage vor der Abstimmung und führte mehrere Mängel der Beschlussvorlage auf, unter anderem, dass »nicht eindeutig und transparent nachvollzogen werden kann, welche finanziellen Mittel insgesamt für die Spielstätten Depot 1 und Depot 2 sowie des Carlsgartens aufzuwenden sind.«
Der Rat fasse einen Grundsatzbeschluss, ohne die Kosten zu kennen, lautet daher der Vorwurf, den SPD, Linke und FDP erheben, sie enthielten sich bei der Abstimmung. Ulrich Breite (FDP) sagt, der Rat habe den Bühnen einen Blankoscheck ausgestellt.
Patrick Wasserbauer, kaufmännischer Geschäftsführer der Bühnen, bemühte sich während der Sitzung, einige Fragen zu klären, doch es tauchten nur weitere auf. Stadtkämmerin Dörte Diemert konstatierte, das Vorhaben sei aus finanzieller Sicht »durchaus ambitioniert« und es bestünden »durchaus Erlösrisiken«, hatte aber keine Einwände.
Eine Kostenabweichung nach oben ist nicht auszuschließen Rechnungsprüfungsamt
Rechnen sich Bühnen und Ratsbündnis die Tanzsparte schön? Eine Ausweitung der Kulturförderabgabe auf Geschäftsreisende sei geplant, die dem Projekt zu Gute komme, so Brigitta von Bülow (Grüne). Und Patrick Wasserbauer von den Bühnen kündigte unter anderem an, Eintrittspreise würden erhöht. Es gehe zudem nun darum, Fördergelder zu beantragen und Drittmittel einzuwerben. Für das Haushaltsjahr 2024 sind zusätzliche Kosten von 9,5 Mio. Euro eingeplant, in den Jahren darauf dann jeweils bis zu gut 28 Mio. Euro. Dieser Kostendeckel werde eingehalten, so Wasserbauer. Mindererträge würden von den Bühnen selbst kompensiert.
»Mal ehrlich, wer kann sich vorstellen, dass es dabei bleibt, wenn das Geld fehlt?«, so Ulrich Breite. »Auch die FDP will die Tanzsparte, aber bei solider Finanzierung.« Er ist sich sicher: »Das Thema wird noch mal hochkommen, ich bin gespannt auf die Zahlen, die wir demnächst vorgesetzt bekommen.« Linken-Politiker Jörg Detjen, Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses, kritisiert zudem, dass sich das Depot im Besitz eines Unternehmens befinde, das über Firmengeflechte in einer Steueroase ansässig sei (siehe Stadtrevue 4/2023). Es sei nicht richtig, mit solchen Geschäftspartnern einen Vertrag, zumal über einen Zeitraum von 15 Jahren, abzuschließen. Der Euphorie des Ratsbündnisses über die neue Tanzsparte tat all das keinen Abbruch.