Willkommen im Villen-Viertel
Kurt Metelmann fürchtet, ein weiteres Mal übergangen zu werden. So wie vor einigen Jahren, als die Pläne für die Bürobauten der Zurich-Versicherung bekannt wurden: Fast 300 Wohnungen sollen im zwischen Agnesviertel und Rhein gelegenen, sogenannten Villen-Viertel, entstehen, ohne die Anwohner in die Pläne einzubeziehen. Auch aus Furcht vor »Parkchaos« und Baulärm gründeten sie damals die IG Neustadt-Nord/ Villen-Viertel, deren Co-Sprecher Metelmann ist.
Nun ist die IG in Sorge, wegen zweier leerstehender Gebäude an der Riehler Straße, in denen sich bis Ende 2021 die Oberfinanz- und die Generalzolldirektion befanden. Statt Büros für Landesbeamte könnten der repräsentative Altbau und das Hochhaus bald 500 Geflüchtete beherbergen. Ende Juni gab die Bezirksregierung bekannt, zwei Kölner Standorte als Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) vorzusehen: Eine »Freifläche« in Porz-Lind sowie die ehemalige Oberfinanzdirektion. In einer EAE werden Asylsuchende registriert und nach einigen Wochen Städten oder Landkreisen in NRW zugewiesen. Zurzeit betreibt die Bezirksregierung eine EAE an der Schönhauser Straße in Bayenthal sowie eine in Bonn; beide Mietverträge sind jedoch befristet, an der Schönhauser Straße will die Stadt bald eine Schule bauen.
Wenn dort nun Geflüchtete unterkommen, wird das Gebäude auf sehr sinnvolle Weise genutzt Sandra Schneeloch, Grüne
Auch in der Politik fühlt man sich von den Plänen übergangen. Erst im Mai hatte der Rat einen Beschluss bekräftigt, dass die Stadt die Gebäude an der Riehler Straße kaufen solle, und zur weiteren Beschlussfassung in den Liegenschaftsausschuss verwiesen. Die Häuser mit 22.500 Quadratmetern Fläche in zentraler Lage wecken schon lange Begehrlichkeiten. Die SPD forderte schon vor Auszug der Oberfinanzdirektion, Wohnraum darin zu schaffen; auch von studentischem Wohnen oder Umbau zu einer Schule war die Rede. Der ehemalige Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank brachte die Gebäude als Sitz für die Stadtverwaltung ins Spiel, da deren Mietvertrag für das Stadthaus in Deutz in wenigen Jahren ausläuft. Doch alle Ideen wischte die Bezirksregierung nun vom Tisch. »Noch im März sagte uns ein Vertreter des Bau- und Liegenschaftsbetriebs, man habe für die Gebäude keine Verwendung«, schimpft Innenstadt-Bürgermeister Andreas Hupke (Grüne). »Ich sehe da keinen Respekt vor der kommunalen Politik.«
Die CDU findet, der Standort eigne sich nicht für eine EAE. »Es gibt auf dem Gelände nicht genügend Freiflächen, auf der sich die Geflüchteten aufhalten und zur Ruhe kommen können«, so Ratsmitglied Florian Weber. Die CDU hat eine Aktuelle Stunde für die nächste Sitzung der Bezirksvertretung Innenstadt beantragt. Weber will Klarheit, wie viele Geflüchtete einziehen sollen. Die beiden EAEs in Köln und Bonn haben insgesamt 1600 Plätze; die in Rede stehenden Alternativen sollen je 500 Geflüchtete aufnehmen. »Wie passt das zusammen?«, fragt Weber. »Und hat man sich Gedanken gemacht, ob eine Einrichtung dieser Größe in der stark verdichteten Innenstadt Sinn macht?«
Auch Kurt Metelmann von der IG Villen-Viertel kann sich eine Flüchtlingsunterkunft in seinem Veedel nicht vorstellen. »Sicher, man muss für Flüchtlinge etwas tun. Aber die Gebäude sind für 500 Flüchtlinge zu groß und sehr aufwändig für Wohnzwecke umzugestalten — und das für eine nur temporäre Nutzung.« Es gebe in der näheren Umgebung keine Geschäfte und den Flüchtlingen bleibe mangels Aufenthaltsflächen nur der Straßenbereich. Metelmann wünscht sich, die Gebäude weiter als Büros zu nutzen. Er hat da einen Vorschlag, den auch die FDP bereits kundgetan hat: »Finanzminister Lindner möchte eine neue Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität mit 2000 Mitarbeitern in Köln ansiedeln. Dafür wären die Gebäude doch ideal.«
Birte Lange vom Kölner Flüchtlingsrat findet den Standort an der Riehler Straße gut. »Die Menschen können von dort schnell etwa zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Bonn gelangen.« Die Nachbarschaft könne Willkommensarbeit leisten, »Spielangebote für Kinder oder Vermittlung erster Deutschkenntnisse sind enorm hilfreich — gerade in Erstaufnahmen, wo die Menschen viel Zeit mit Warten verbringen müssen«, so Lange. Auch Anwohner profitierten; die Einrichtung werde durch Integrationsarbeit zugänglicher. »Angesichts des Schulnotstands hätten wir uns in dem Gebäude eine Schule gut vorstellen können«, sagt Sandra Schneeloch von den Grünen. »Aber wenn dort nun eine Erstaufnahme für Geflüchtete eingerichtet werden soll, würde das Gebäude auch auf sehr sinnvolle Weise genutzt. Die Standort ist dafür gut geeignet.«