»Wir dürfen die ökologischen Krisen nicht gegeneinander ausspielen«
Herr Rixen, in Köln steht bislang kein einziges Windrad. Der städtische Energieversorger Rheinenergie hat nun aufgezeigt, wo er Windkraftanlagen aufstellen könnte und sich dafür Kritik vom Nabu Köln eingehandelt. Sind Sie gegen Klimaschutz?
Nein. Wir sehen die Notwendigkeit, Erneuerbare Energien auszubauen.
Das ist in Deutschland neben der Solarenergie vor allem die Windenergie. Die entscheidende Frage ist aber: Wo baut man die Windenergie aus?
Für uns sind Klimakrise und Artensterben miteinander verbunden. Es wäre kontraproduktiv, durch den Ausbau der Erneuerbaren die Artenkrise zu verschärfen, die immense Folgen für das Leben der Menschen haben wird. Wir kommen nicht weiter, indem wir die eine ökologische Krise gegen die andere ausspielen. Welche Probleme sehen Sie bei Windkraft? Im Wesentlichen die ökologische Abwertung von Lebensräumen und das Kollisionsrisiko von Vögeln mit den Anlagen.
Wir würden es begrüßen, Windkraft näher an Gewerbe- und Industriegebieten zu bauen Bastian Rixen
Die Rheinenergie hat elf Standorte ermittelt, an denen 20 Anlagen aufgestellt werden könnten. Halten Sie die alle für ungeeignet?
In manchen Gebieten ist es weniger kritisch als in anderen. Die Rheinenergie hat sich nach eigener Aussage neun Flächen noch gar nicht genau angeschaut, sondern nur zwei im Kölner Norden. Auf denen könnte man auch die meisten Anlagen bauen — einmal neun, einmal vier. Wir haben aufgrund der Informationen, die uns vorliegen, das Gesamtgefährdungspotenzial der Standorte eingeschätzt. Bei beiden Gebieten im Norden haben wir die potenziellen Beeinträchtigungen jeweils als hoch eingestuft.
Können Sie ein Beispiel geben?
Das Gebiet »Nord II« liegt in Worringen am Rhein. Der Fluss dient Zugvögeln als Orientierung und Route. Zudem liegen dort drei Naturschutzgebiete. Die Windkraftanlagen sollen in die Mitte dieser Gebiete, die für Vogelarten wie etwa Rot- und Schwarzmilan eingerichtet wurden. Die Schutzgebiete sind klein, sodass die Vögel auch umliegende Bereiche nutzen. Wenn man Windkraftanlagen in die Flurfläche stellt, die Vögeln frequentieren, könnte es zu Vogelschlag kommen.
Gegen Vogelschlag gibt es technische Lösungen.
Radar- oder kamerabasierte Detektionssysteme können helfen, das Risiko zu mindern. Die Technologien sind größtenteils noch nicht zertifiziert, Umweltbehörden berücksichtigen sie nicht als Schutzmaßnahme. Nichtsdestotrotz sind sie wirksam. Wir würden die Anwendung solcher Technologien begrüßen.
Ist der Ausbau der Windenergie überhaupt mit dem Artenschutz vereinbar?
Absolut! Noch mal: Wir sind nicht gegen Windenergie, sondern gegen eine Planung, die ökologische Aspekte systematisch vernachlässigt.
Köln möchte bis 2035 klimaneutral werden. Ein schneller Ausbau von Erneuerbaren Energien ist dafür notwendig.
Es ist sehr lange nichts passiert — weder im Naturschutz noch bei den Erneuerbaren. Jetzt möchte man Gas geben. Aber man darf dabei nicht Dinge überfahren, die man schützen sollte. Wir können nicht auf der einen Seite den Klimawandel durch technologische Maßnahmen abmildern und auf der anderen Seite natürliche CO2-Speicher und Lebensraum für Arten zerstören. Wir müssen durch sorgfältige Planung die Naturschätze, die wir noch haben, erhalten. Windkraft und Solarenergie müssen naturverträglich ausgebaut werden. Das Lanuv hat kürzlich die Potenzialflächen für Windenergie in NRW aufzeigt. In Köln waren das 148 Hektar. Leider wurde der Artenschutz nur bedingt berücksichtigt.
Bislang diskutiert man meist über unbebaute Flächen.
Die Flächen im Kölner Norden sind wertvolle Naturflächen — Retentionsflächen bei Überschwemmung, Erholungsgebiete für den Menschen, Frischluftentstehungsgebiete. Wir würden es begrüßen, dort zu bauen, wo der ökologische Wert der Landschaft schon reduziert worden ist, etwa näher an Gewerbe- und Industriegebieten.