Talk to Me
Wie man das Publikum direkt in einen Film hineinzieht, führen die australischen Zwillinge und YouTube-Stars Danny und Michael Philippou in ihrem Debütfilm beispielhaft vor. Zu treibenden Klängen folgt die Kamera in einer langen, ungeschnittenen Einstellung einem aufgebrachten jungen Mann, der seinen Bruder auf einer Party sucht. Dass etwas Schlimmes in »Talk to Me« passieren wird, ist absehbar. Und doch überrascht die folgende Eskalation. Nach diesem ungemütlichen Auftakt nehmen die Regisseure erst einmal zwei Gänge raus und führen ihre Figuren sorgsam ein — was im modernen Mainstream-Horrorkino keineswegs selbstverständlich ist.
Im Zentrum der Handlung steht die Teenagerin Mia, die auch zwei Jahre nach dem Tod ihrer Mutter noch schwer mit dem Verlust zu kämpfen hat.
War es ein tragisches Versehen? Selbstmord? Oder hat womöglich ihr Vater etwas damit zu tun? Ein neues Partyspiel mit einer einbalsamierten Hand, die angeblich das Tor zum Jenseits aufstößt, könnte Antworten liefern. Als die anfangs skeptische Mia in Kontakt mit der Geisterwelt kommt, geht es ihr und ihren engsten Freunden schon bald an den Kragen.
Die Hauptfiguren und ihre Befindlichkeiten ernst nehmen, Schockeffekte dosiert einsetzen — eigentlich braucht es kein großes Getöse, um durchdringendes Unbehagen zu erzeugen. Das wissen die Philippous, die Mias Trauer und Schmerz zum Motor der Geschichte machen. Alles, was sie tut, tut sie aus dem brennenden Verlangen heraus, mehr zu erfahren, zu verstehen. Und genau dadurch entsteht neues Leid.
Die Jugendlichen aus »Talk to Me« sind glaubhaft gezeichnet, ambivalent, heben sich ab vom wandelnden Kanonenfutter, das sich sonst so in Teenie-Gruselstreifen tummelt. In ihrer Inszenierung beweisen die Debütregisseure bemerkenswerte
Souveränität, wissen klassische Stilmittel — grotesk geschminkte Fratzen und sich plötzlich aus dunklen Ecken herausschälende Gestalten — wirkungsvoll zu nutzen. Nach rund 45 Minuten kippt der bis dahin noch ein wenig verspielte Horrorthriller ins Abgründig-Dramatische und fesselt bis zum bitteren Schlusspunkt.
AUS 2022, R: Danny und Michael Philippou, D: Sophia Wilde, Alexandra Jensen, Joe Bird, 95 Min.