The Inspection
Ellis French hat schon so manchen Kampf ausgetragen. Mit 16 verstieß seine Mutter ihn, als sie herausfand, dass er schwul ist. Danach musste sich der Junge viele Jahre obdachlos auf den Straßen New Jerseys durchschlagen. Mit 25 beschließt er nun, den Marines beizutreten. Durch den Militärdienst erhofft er sich eine bessere Zukunft, und vielleicht, die Liebe und den Stolz seiner Mutter zurückzugewinnen. Zu verlieren hat er nicht mehr viel.
Doch 2005 gilt für homosexuelle Rekruten im US-Militär noch die Devise »Don’t ask, don’t tell«. Ein Coming-out in Uniform ist undenkbar. Ein hartes Pflaster, das bekommt Ellis gleich zu spüren: Seine weißen Kameraden ächten ihn nach einem Vorfall in der Gemeinschaftsdusche schnell als schwul, bei ihren brutalen Misshandlungen drückt der homophobe Ausbilder Laws mehr als ein Auge zu. Aber Ellis ist zäh, aufgeben keine Option. Bei dem Vorgesetzten Rosales findet er etwas Verständnis und Unterstützung. Er fühlt sich zu dem Mentor schnell stärker hingezogen, als es in diesem Kontext ratsam ist. Stoisch übersteht Ellis den Kleinkrieg in der Kompanie.
Nach Dokumentarfilmen wie dem preisgekrönten »Pier Kids« über queere obdachlose Jugendliche in New York ist »The Inspection« das Spielfilmdebüt des Regisseurs Elegance Bratton. Das Drama basiert auf eigenen Erfahrungen. Bratton lebte selbst einige Jahre auf der Straße, bevor er bei den Marines anheuerte. Das Thema Homosexualität im Militär behandelte zuletzt das österreichische Drama »Eismayer«. Brattons Film ist deutlicher in seiner Kritik dieser Strukturen und darüber hinaus eine Auseinandersetzung mit Rassismus und Homophobie in den Vereinigten Staaten. Er zeigt die Brutalität des Bootcamps, aber auch dessen homoerotischen Reiz und die Kameradschaft. Dabei gelingt ihm ein subtiles, berührendes (Selbst-)Porträt eines jungen Mannes auf der Suche nach seinem Platz in der Welt, empathisch und meist klischeefrei. Der atmosphärische Score der US-Band Animal Collective macht den Film auch sehr hörenswert.
USA 2022, R: Elegance Bratton, D: Jeremy Pope, Raúl Castillo, McCaul Lombardi, 100 Min.