Christen und extreme Rechte vereint: Marsch für das Leben in Berlin

Vereint gegen Vielfalt

Fundamentalistische Christen rufen erstmals in Köln zum »Marsch für das Leben« auf

Am 16. September wollen christliche »Lebensschützer:innen« erstmals einen »Marsch für das Leben« in Köln durchführen. Dazu ruft der Bundesverband Lebensrecht (BVL) auf, der die Veranstaltung erstmals zeitgleich in Berlin und Köln organisiert. In Köln ist der Aufmarsch unter dem Motto »Einzigartig — Leben wagen« laut Polizei Köln »von einer Privatperson für 1000 Teilnehmende« auf dem Heumarkt angemeldet worden.

Ziel der Lebensschützer:innen ist laut Selbstdarstellung der »Schutz der Würde und des Lebensrechts ungeborener und geborener Menschen von der Zeugung bis zum natürlichen Tod«.   Gleichzeitig wollen sie gegen Leihmutterschaften protestieren, deren Legalisierung zurzeit von einer Expertenkommission des Bundestags geprüft wird. Technisch unterstützte Kinderwunschbehandlungen wie die ­In-vitro-Fertilisation ermöglichen die Elternschaft auch jenseits der hetero­sexuellen Norm. Auch assistierten Suizid lehnen die Lebensschützer:innen ab.

Das Berliner »Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum« (Apabiz) geht von einer »hervorragenden Vernetzung des BVL in die wichtigsten funktionstragenden Kreise der Politik und Kirche« aus. Der Kölner Erzbischof Woelki schickte regelmäßig ein Grußwort. Der BVL ist ein Zusammenschluss verschiedener Organisationen. Aus Köln ist etwa die Juristen-Vereinigung Lebensrecht (JVL) vertreten, die aus mehreren Hundert Jurist:innen besteht und für eine Verschärfung der Abtreibungsregeln eintritt. Ihr Schatzmeister, ein Kölner Rechtsanwalt, bezeichnete 2016 im fundamentalistischen Online-Magazin Cath­walk »Masturbation als schwere Sünde«. Zuvor erklärte er in der Welt, dass man Gedanken an Selbstbefriedigung im Beichtstuhl daraufhin analysieren müsse, warum man zum »Spielball des Teufels« geworden sei. Die 1985 gegründete JVL war bereits in den 90er Jahren daran beteiligt, dass eine Fristenlösung im Abtreibungsparagraphen 218 beibehalten wurde. 1993 fällte das Bundesverfassungsgericht ein entsprechendes Urteil. Ernst-Wolfgang Böckenförde, einer der Verfassungsrichter, die damals über das neue Abtreibungsrecht entschieden, war bis 1990 Mitglied in der Vereinigung. Außerdem gehörte ein vom Gericht bestellter Gutachter der JVL an. Eine zweite Spur führt in den Seelsorgekreis Sülz-Klettenberg. Eine dortige Gemeindereferentin gab 2012 die Festschrift »Lebens-Not-Wendig« des Regionalverbandes der »Aktion Lebensrecht für Alle« (ALfA) heraus. Auch ALfA ist Mitglied im BVL.

Das Lebensschutz-Spektrum vereint christliche Fundamentalist:innen und die extreme Rechte.  2022 beteiligten sich neben CDU/CSU auch Mitglieder der AfD öffentlich am »Marsch für das Leben« in Berlin. Die Allianz könnte auch in NRW funktionieren. Die AfD-Landtagsfraktion hat im April Abtreibungen als »Symptom der kinderfeindlichen Politik, die in Deutschland seit Jahren betrieben wird« bezeichnet und fordert, dass die verpflichtende Schwangerschaftskonfliktberatung »dem Schutz des ungeborenen Lebens« dienen solle. Überlegungen der Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), Abtreibung zum Pflichtgegenstand des Medizinstudiums zu machen, bezeichnete der AfD-Landesverband als »Ideologie-Drill«, mit dem Studierende »verpflichtend im Töten ungeborener Kinder« trainiert würden.

Es ist noch unklar, wie viele Menschen für den »Marsch für das Leben« mobilisiert werden.  Bei Redaktionsschluss riefen das katholische Dekanat Siegen und die katholisch-fundamentalistische Sammlungsbewegung »Maria 1.0« zur Fahrt nach Köln auf. Klar ist, dass es Proteste geben wird, Das neu gegründete »bündnis prochoice koeln« ruft für den 16. September zu einer Gegendemonstration am Heumarkt auf.