»In der Nacktheit steckt eine Botschaft«
Herr Klocke, in Köln werden jedes Jahr Fahrradfahrer bei Unfällen getötet. Sie radeln beim »Naked Bike Ride« leicht bekleidet durch die Stadt. Was soll das bringen?
Wir wollen Bewusstsein schaffen, dass Radfahrer vielen Gefahren ausgesetzt sind. Wir hatten anfangs Sorge, dass das als Klamauk abgetan wird. Nicht von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sondern in der Wahrnehmung. Ich bin selbst überrascht, dass bisher jede Veranstaltung in einer breiten Öffentlichkeit stattgefunden hat und auch in den Medien unsere Kernbotschaft transportiert wurde.
Und die nackte Haut soll für Aufmerksamkeit sorgen.
Die Idee ist: Fahrradfahrer sind ungeschützte Verkehrsteilnehmer und gewissermaßen nackt. Natürlich ist es auch ein Hingucker, eine gewisse Provokation. In der Nacktheit steckt aber noch eine Botschaft.
Welche?
Wir sind eine Radtour für ein positives Körpergefühl, gegen Bodyshaming und Normierung. Jeder Körper ist hübsch! Es fahren ganz unterschiedliche Leute mit — alt, jung, dick, dünn. Come as you are! Am Ende des Tages fährt man leicht euphorisiert nach Hause, weil man sich in einer Gruppe was Ungewöhnliches getraut hat.
Was sind Ihre konkreten Forderungen?
Wir haben kein Manifest verfasst, sondern beziehen uns auf die Forderungen der erfolgreichen Volksinitiative »Aufbruch Fahrrad«: bessere Infrastruktur für Radverkehr, mehr Stellplätze, mehr Platz im öffentlichen Raum, Bewusstsein für Gefahren für Radfahrer. In einem modernen Auto piept und blinkt es an allen Ecken, damit Autofahrer sicher sind. Auf dem Rad muss man seine Sicherheit selbst organisieren.
Auch Kardinal Woelki schickt regelmäßig Grußworte an den »Marsch für das Leben«
Wer ist Adressat Ihrer Forderung?
Alle Bürgerinnen und Bürger! Verkehrsteilnehmer sind wir alle!
Sie fahren seit fünf Jahren mit vielen Teilnehmern. Hat der Naked Bike Ride etwas bewirkt?
Im Thema Radverkehr ist viel Schwung drin. Die Infrastruktur wird besser, auch wenn es ein erhebliches Umsetzungsdefizit gibt. Es gibt zwar keine konkrete Rückmeldung aus Stadtverwaltung oder Politik. Aber im Konzert der Aktionen der Kölner Fahrrad-Community nimmt der Naked Bike Ride einen wichtigen Platz ein. Und die Resonanz am Straßenrand ist wie man sie in Köln erwartet: Leute winken, machen Fotos. Es hat sich auch mal jemand spontan das T-Shirt ausgezogen und ist mitgefahren.
Aber der Naked Bike Ride ist doch Etikettenschwindel. Sie fahren gar nicht nackt.
Das müssen wir uns jedes Jahr anhören! (lacht) Nacktheit im öffentlichen Raum stellt in Deutschland — anders als etwa in Großbritannien oder den Niederlanden — rechtlich eine »Erregung öffentlichen Ärgernisses« dar. Ich halte die Rechtslage für Quatsch. Ein nackter Mensch, den es am öffentlichen Badesee geben darf, sollte sich auch bei einer Demo aufs Fahrrad setzen können. Aber wenn alle splitterfasernackt am Start stehen würden, wäre die Demo seitens der Polizei zu Ende. Das ist es uns in der Abwägung nicht wert. Deshalb bedienen sich manche an Karneval-Accessoires, andere kommen im kreativen Lendenschurz. Aber wir nennen es Naked Bike Ride, auch weil es eine internationale Bewegung ist.
Und weil Sie lieber nackt fahren würden — nur mit Helm.
Wenn es erlaubt wäre. Und nur, wenn man auch nackt fahren will.
Arndt Klocke ist seit 2010 Abgeordneter der Grünen im Landtag NRW.
Cologne Naked Bike Ride, Fr 1.9., 17 Uhr, Start Schaafenstraße/Ecke Balduinstraße