Zäune statt Räume
Sechs Jahre sind vergangen, seit eine Jury aus Fachleuten, Stadtverwaltung und Politik einen wegweisenden Entwurf für die Hallen Kalk auswählte. Raum für Experimente, bürgerschaftliches Engagement und gemeinwohlorientierte Nutzung sollten Vorrang erhalten vor den kommerziellen Interessen der Immobilienwirtschaft. Das ehemalige KHD-Areal an der Dillenburger Straße verhieß eine von der Zivilgesellschaft getragene Immobilienentwicklung. Heute bezweifeln viele der Beteiligten, ob es dafür in Köln überhaupt Platz gibt.
Im August verkündete die »Montag Stiftung Urbane Räume« ihren Rückzug. Ein solches Projekt sei »nur in einer Partnerschaft mit maximaler Verlässlichkeit, einem abgesteckten Handlungsrahmen und einem strikten Zeitmanagement möglich«. Diese Voraussetzungen sehe man »auf Seiten der Stadt Köln« nicht mehr gegeben. Maria Helmis, kulturpolitische Sprecherin der SPD, sprach auf einer Kundgebung am abgezäunten KHD-Gelände von einer »Katastrophe« und fragte: »Was will Köln für eine Stadt sein?« Heiner Kockerbeck (Linke) forderte, das Projekt »der Verwaltung aus der Hand zu nehmen«. Offenbar gebe es in den zuständigen Ämtern eine »eigene Ansicht, wie eine Großstadt funktionieren soll«, und die Scheu, Vorhaben mit anderen Trägern als profitorientierten Investoren umzusetzen.
Die Montag-Stiftung war Teil einer Verantwortungsgemeinschaft, der jetzt noch der Kulturhof Kalk, das Kreationszentrum Zeitgenössischer Zirkus und das Kollektiv X-Süd aus dem Kunsthaus KAT18 angehören. Viele der Beteiligten hatten am Werkstattverfahren mitgewirkt, in dem der ursprüngliche Entwurf des Büros BeL Sozietät für Architektur weiterentwickelt wurde. Später wurden mit dem Amt für Stadtentwicklungsamt Kriterien gemeinwohlorientierter Nutzungen entworfen. Die alten Industriehallen sollten sich zum Quartier mausern: mit Platz für bürgerschaftliches Engagement, Ateliers, Werkstätten, Handwerk, Subkultur, Gastronomie. Bis heute sind sie — bis auf die Abenteuerhallen Kalk und eine Halle, die als Depot für das Schauspiel genutzt wird — abgesperrt und verfallen. Über das Hausrecht wacht die Werksfeuerwehr Deutz. »Hier kommt ein langer Prozess zum Stillstand. Wie es weitergehen wird, können wir an dieser Stelle nicht sagen«, schreiben die verbliebenen Initiativen auf ihrer Webseite.
Der Rückzug der Montag Stiftung folgt aus der Ablehnung der Stadtverwaltung, ein Erbbaurecht in Aussicht zu stellen, das der Stiftung eine Entwicklung nach ihrem Modell des Initialkapitals ermöglicht hätte. In Bonn, Krefeld, Wuppertal und vier weiteren Städten gibt es solche von Bürger:innen getragenen, und offenbar finanziell soliden Projekte. Dem Kölner Liegenschaftsverwaltung war das nicht möglich. Nach Angaben der Beteiligten war noch nicht einmal eine Begehung machbar, um eine lang ersehnte Zwischennutzung vorzubereiten, obwohl auf dem Gelände Filme gedreht werden durften.
Offenbar gibt es in den zuständigen Ämtern eine eigene Ansicht, wie eine Großstadt funktionieren soll
Heiner Kockerbeck, Linke
Die Planung hätte die bereits um das Gelände angesiedelten Nutzer wie die Abenteuerhallen, den Gemeinschaftsgarten Pflanzstelle und den Drogenhilfeverein Vision ergänzt und integriert. Die Initiative Domid, die Fördergeld in zweistelliger Millionenhöhe für ein Migrationsmuseum eingeworben hat, soll in einer der angrenzenden Hallen Platz finden. Sie ist nicht unmittelbar vom Rückzug der Montag Stiftung betroffen, hofft aber, dass sie ihn rückgängig macht: »Alles andere wäre fatal für Kalk, Köln und die Kulturlandschaft in Köln.« Jutta Pöstges vom Kunsthaus Kat 18 hat noch leise Hoffnung, »wenn die Stadt die richtigen Signale sendet«. Das in ihrer Einrichtung verwurzelte Kollektiv X-Süd hatte sich bereits erfolglos für ein inklusives Kunsthaus in der Parkstadt Süd eingesetzt.
Das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt traf die Entscheidung der Montag Stiftung überraschend, obwohl die Beteiligten seit Monaten davor warnten. Im Liegenschaftsausschuss sprach Sabine Pakulat (Grüne) von »Gerüchten in der Presse«. Es gelte, »jetzt mit allen Beteiligten ins Gespräch zu kommen, bestehende Probleme auszuräumen und das Scheitern dieses einzigartigen Projektes abzuwenden.« Pascal Pütz (SPD) nannte die Wortwahl unangemessen und sprach von »leicht recherchierbaren Fakten«. Die Montag Stiftung hat eine Rückkehr ausgeschlossen. Grüne, CDU und Volt verwiesen auf die Verantwortung von OB Henriette Reker als Verwaltungschefin. Die Verwaltung hofft weiterhin, die Stiftung in die Hallen Kalk zurückzuholen, erklärte Stadtentwicklungsdezernent Andrée Haack auf einer Sitzung der Bezirksvertretung Kalk Ende August. Die jedoch erklärte nach der Sitzung, dass sich an ihrer Position nichts geändert habe.