Glossy Pain: »Let’s unfuck the patriarchy out of our bodies«, © Glossy Pain

Neue Visionen

Queere Modenschau, »unfuck the patriarchy« und ­Incels: Das URBÄNG!-Festival im Orangerie Theater

Knallig startet URBÄNG!, das »Festival der performativen Künste« in diesem Jahr: Die dänische Starchoreografin Mette Ingvartsen, gerade noch bei der Ruhrtriennale zu Gast, ermöglicht in »The Dancing Public« ein grandioses Tanzerlebnis — zum Mitmachen. Schon im Mittelalter gab es das Phänomen der »Tanzwut«, der körperlichen Raserei zu Musik: Tanzen steckt an! Wer dann so richtig ausgepowert ist, kann sich im illuminierten Orangerie-Garten mit einem veganen Burger an der Feuerschale ausstrecken.

Um einen Monat vorverlegt hat die »Freihandelszone«, ein Zusammenschluss Kölner Theater- und Tanzensembles, diese wunderbar gemeinschaftlichen, diskussions- und feierfreudigen Theatertage im Spätsommer. Endlich mal keine Konflikte mit Ferien und Regenwetter.

Doch ganz gemütlich wird es nicht, denn die Stücke haben es in sich: wie wäre es etwa, mit »Glossy Pain« die Erotik aus den Fängen toxischer Männlichkeit zu lösen und (sexuell) loszulegen als Frau? Die Senkrechtstarter aus Berlin haben auch schon das »Stücke«-Festival in Mülheim an der Ruhr mit lässig-lustigen Betrachtungen zu weiblicher Befreiung aufgemischt. Nun zeigen sie »Let’s unfuck the patriarchy out of our bodies« — es wird auf jeden Fall ziemlich konkret.

Was Frauen an ihrer Befreiung heute alles so hindert, erhält im Kölner Orangerie-Theater harte Unterfütterung: Im Barkeller ist eine Installation des Citizen Kane Kollektivs zu sehen, die dokumentiert, wie häufig Femizide stattfinden — und wie systematisch sie medial verharmlost werden. Dann schickt uns das Schweizer Künstlerinnenkollektiv Pintozor Prod mit der dem »Handbuch zum Überleben in einem männlichen Territorium« auf einen Kopfhörer-Spaziergang durch die Südstadt: Wir hören die Geschichte eines Incels — ein Mann der unfreiwillig keine sexuelle Beziehung zu Frauen hat und seinen Frust digital in Hass und Gewaltfantasien entlädt. Kann eine Frau diese Community verstehen?

Eine intensive Erzählung mit begrenzter Teilnehmer*innenzahl.

Heiterkeit kehrt schließlich ein bei den coolen Konzerten der New Yorker Aktivistin Shelly Quest oder dem Street Pop von Lina Bó, der utopisch-queeren Modenschau der Zukunft oder ­einer Betrachtung der zukunftsweisenden Visionen und Rituale der mittelalterlichen Äbtissin ­Hildegard von Bingen.

freihandelszone.org/urbang23