Grenzgänger und Experimentierfreund
So begeistert geschwärmt hat wohl noch niemand vom Millionengrab der Theaterbaustelle am Offenbachplatz: Eine der »Top-Bühnen Europas« entstehe dort, Regisseure würden sich darum reißen, in Köln zu arbeiten, sagt Kay Voges, als er sich als neuer Schauspielintendant von Köln ab 2025/26 vorstellt. Natürlich gehört das Preisen der neuen Dienststelle zum Geschäft, wenn man gerade einen begehrten Topjob erhalten hat. Aber Voges kommt sympathisch und glaubwürdig rüber, als er vom Baustellenrundgang erzählt, davon, wie glücklich er sei, ins Rheinland zurückzukehren. Sogar einem Karnevalslied-Contest würde er sich stellen, sagt er. Möglichen Vorwürfen, er sei zu weiß, zu männlich und zu wenig kollektiv unterwegs, kommt er zuvor: Als großen »Teamplayer« und »Kommunikator« definiert er sich.
Doch so gut wie Voges tatsächlich zu Köln zu passen scheint, so künstlerisch spannend das Programm auch wird — so unbefriedigend und intransparent war doch die Art seines Auswahlverfahrens. Denn Voges ist eben wieder jener genialische männliche Künstlertypus, der am Ende gewinnt. »Es gebe keine geeigneten Frauen im Feld«, sagte Kulturdezernent Stefan Charles kürzlich noch auf einem Podium — was nicht stimmt, ich weiß von mindestens vier spannenden Bewerberinnen. Am ärgerlichsten an dieser Ernennung ist nicht, was herausgekommen ist. Kay Voges ist eine sehr gute Wahl. Doch warum sollte das Verfahren geheim gehalten werden wie eine Papstwahl? Warum war die Findungskommission, die sich erst auf öffentlichen Druck outete, nicht divers besetzt? Warum hatte das Schauspielensemble keine Stimme?
Dass er mit allen Schauspieler*innen sprechen will, hat Kay Voges zugesichert — ob alle bleiben dürfen, ist keineswegs ausgemacht. Warum hat Charles eine kulturferne Headhunter-Firma mit der Suche beauftragt — während er doch die Expertise des Ensemble-Netzwerks hätte befragen können? Immerhin zeigte man sich in Köln lernfähig, wurde auf öffentlichen Druck mehr Transparenz zugelassen. Doch die Tatsache, dass die Besetzung kultureller Machtpositionen heute besser gestaltet werden kann, scheint nicht verstanden worden zu sein — siehe die blamable Leitungssuche im Stadtmuseum.
Ob der Grenzgänger und Experimentierfreund Kay Voges mit seinem politischen Ansatz, dem trashigen Mash-Up-Theater aus Videos, Zitaten und Dauerloops auch beim Stadtpublikum ankommen wird? In jedem Fall hat er künstlerische Kraft, Format und Energie, ist lernfähig, offen und verrückt genug für Köln. Platz also für Erleichterung und Vorfreude.