Diamante — Fußballgott
Reiner Calmund hat den »positiv Bekloppten« in den Fußballjargon eingeführt, und eben dieser Ausdruck kommt einem angesichts der Mockumentary »Diamante — Fußballgott« in den Sinn. Es geht darin um den fiktiven Profi Rudi Varda, einen hochveranlagten Offensivspieler, dem in den 1970er und 80er Jahren der Durchbruch in der zweiten Bundesliga verwehrt bleibt. Dass der in Deutschland längst vergessene Varda Jahrzehnte später wiederentdeckt wird, ist seinem ebenso fiktiven Bruder Ferdi zu verdanken, dessen Kontakt zu Rudi damals abgerissen ist, und der sich erst auf die Suche nach dem verlorenen Bruder macht, als ihn unglaubliche Nachrichten über dessen Legendenstatus in Brasilien erreichen. Aus dem abstrusen Märchen um ein in Europa verkanntes Fußballgenie, das unter dem Zuckerhut doch noch Karriere machte — Rudi wird dort als Diamante bis heute verehrt wie Pelé, ein Fußballwunder, das sogar Familie und Freunden in Rübenach bei Koblenz verborgen blieb –, entwickelt sich nun eine richtig berührende Geschichte, selbst für Zuschauer*innen, die mit Fußball nichts am Hut haben.
Das Spiel hat eben doch eine Seele, ob personifiziert durchs unangepasste Genie Rudi oder den bodenständigen Ascheplatz-Romantiker Ferdi. Der gewinnt mit seinem spröden Charme die Herzen des Publikums, nach Schlusspfiff ist er der Star des Films. Hinter dem Projekt steht der Kölner Georg Nonnenmacher, ein leidenschaftlicher Filmemacher (»Auf Anfang«), der auch für den Fußball brennt. Diese Liebe übersetzen er und das gesamte Filmteam so detailversessen und so abenteuerlustig in die frei erfundene Vita von Diamante und in Ferdis Reise, dass beides wahrhaftig wird und einem die Tränen kommen. Die Interviews mit »Wegbegleitern« Rudi Vardas und »Experten«, wie Reiner Calmund, sind schon amüsant. Als genial entpuppen sich die kunstvoll zusammengeschnittenen Spielszenen, die Rudi Varda auf dem Platz zeigen, wo bekanntlich die Wahrheit liegt. Eigentlich sieht man hier echte Spieler in Aktion wie FC-Legende Heinz Flohe. Prominente Kicker, die als Archivbilder in die Rolle des Rudi Varda schlüpfen, der einst aus der Fanperspektive nach ihrem Vorbild erschaffen wurde. Wenn es noch »wahren Fußball« gibt, dann in diesem so wundervoll konstruierten wie nimmermüde improvisierten und hundert Prozent positiv bekloppten Film.
D 2022, R: Georg Nonnenmacher, Ingo Haeb, Karin Berghammer, 90 Min.