Platz für Kunst
Wir erinnern uns: In der Kölner Tagespresse erschien am 18.10. 2017 ein Bild des NRW-Innenministers Herbert Reul im grauen Trenchcoat, unerwartet klandestin vor der KVB-LED-Anzeige platziert. Schnell gingen durch die Socials Vergleiche mit einerseits dem »Dealer« aus der Sesamstraße, andererseits mit kommunistischen Partei-Funktionären. Dabei war der Anlass des Besuchs weit weniger amüsant: Ein 22-jähriger Mann war in einer gewaltsamen nächtlichen Auseinandersetzung zu Tode gekommen — und der Ebertplatz in den folgenden Tagen und Wochen Gegenstand von (inter-)nationalen Skandalisierungen. »Es war die Zeit als Reul hier rumschlich, der Ebertplatz mit rassistischen Klischees politisiert wurde — von Anrainer*innen, aber vor allen Dingen von außen. Die Verwaltung diskutierte darüber, die Zugänge zu vermauern. Da wusste ich, dass ich mich engagieren möchte«, erzählt Lukas Herrmann im Interview. Seit sechs Jahren nunmehr gehört Herrmann zum Team des »Kunst und Mehr«-Offspaces Gold+Beton in der Passage des Ebertplatzes.
Wer schon mal abends in eine Veranstaltung reinstolperte, ob Konzert, Party oder Ausstellungseröffnung, weiß vom vergleichsweise wilden Treiben, das man hier pflegt, zu berichten. Hier geht alles etwas verrückter, aber auch entspannter zu Gange. Zusammen mit den anderen Kunstorten am Ebertplatz, namentlich Labor, Mouches Volantes und Gemeinde Köln, bildet das Gold+Beton die Speerspitze der Kölner Alternativ-Artspaces — und den gemeinnützigen Kunstverein Brunnen e.V.
In den ersten Monaten mussten wir permanent Action machen und Partys veranstalten, um genügend Spenden einzusammeln. Die Mieten waren hoch, und wir sind keine Galerie mit Verkaufserlösen
Meryem Erkuș
Allgemein lassen sich Platz und Galerien nur schwer voneinander trennen — was selbst die Stadt Köln und ihre Verwaltung mittlerweile verstanden haben. Meryem Erkuş, die Mitgründerin und Konstante des Gold+Beton, erzählt: »In den ersten Monaten mussten wir permanent Action machen und Partys veranstalten, um genügend Spenden einzusammeln. Die Mieten waren hoch, und wir waren und sind keine Galerie mit Verkaufserlösen.« Wenige Monate später, im Januar 2014 — am Ebertplatz waren zu dem Zeitpunkt bereits die beiden Orte Boutique und Bruch & Dallas etabliert, dazu das noch heute bestehende Labor —, forderte man sich erfolgreich eine Mietminderung ein. Seitdem kann man weniger selbstausbeuterisch und gelassener zu Werke gehen.
Immer wieder geht es im Gespräch mit Erkuş und Herrmann um den Ebertplatz als urbanen und sozialen Ort, als Raum der Begegnung und des Transits, der aber auch Aufenthaltsfläche für Menschen ist, denen die Gesellschaft auf Grund ihrer Sucht oder ihres Asylstatus keine anderen Angebote macht — und, ja, es wird auch mit Cannabis gedealt. In der Skandalisierung der Dealer, so betont Lukas Herrmann, der lange Zeit Aufsicht für die Kunsträume am Ebertplatz gemacht hat, erkenne man die Bigotterie der Stadtgesellschaft: »Der Ebertplatz versorgt nicht irgendwen, sondern die umliegenden bürgerlichen Viertel.«
Meryem Erkuş, die vor zehn Jahren das Ladenlokal mit drei anderen Kreativen übernommen hat, nimmt das Jubiläum zum Anlass, die Highlights ihres Wirkens zu reflektieren: »Es gab so viele geniale Ausstellungen und Konzerte. Henrike Naumann ist mittlerweile ein Star der Kunstszene und hat bei uns ausgestellt. Dazu war aber auch die künstlerische Intervention des Künstlers David Lichter, der einige Zeit zum Kurationsteam gehörte, einfach spektakulär: Über etliche Tage hinweg verlegte er Epoxidharz als neuen Untergrund.« Die Tatsache, dass Jeanne van Eeden als Praktikantin im Raum gestartet sei und seitdem einfach zum Team gehöre, sei aber auch so eine der vielen genialen Geschichten, die sich in zehn Jahren angesammelt hätten, betont Erkuş. Neben ihr, Herrmann und van Eeden gehört noch die Künstlerin Marie Sturm zu den Kurator*innen.
Sturm arbeitet im inklusiven Kunsthaus kaethe:k — die Ausstellungen mit den Künstler*innen des Pulheimer Kunsthauses hat in den letzten Jahren eine neue, wichtige Facette zum Programm beigesteuert. Nur einer von vielen Beweisen, dass Gold+Beton wie der ganze Ebertplatz niemals stillsteht. Wird das noch befeiert? Erkuș lacht: »Wir haben uns mit einem Konzertabend beschenkt, aber es stimmt: Da fehlt noch was. Deswegen folgt nun eine Party Ende Oktober.« Noch mehr heiteres Treiben — wir gratulieren.
GOLD + BETON
Ebertplatz-Passage Ladenlokal 3
tägl. 16–20 Uhr (Zutritt via Infopoint)
Fr 27.10., 10 Jahre GOLD + BETON (Party)
Fr 3.11., Eröffnung: Tina Kohlmann