Zeigen sonst deutlich mehr Zähne: Smile. Foto: Amina Falah

Bitte recht freundlich

Trifft den Zahn der Zeit: Die Kölner Band Smile stellt ihr Album-­Debüt vor

Was verbindet Katy Perry, Fleetwood Mac und die Kinderprogramm-Figur »Dora, The Explorer«? Sie alle besangen das »Smile«. Durch die Pop-Geschichte hindurch taucht das Lächeln immer wieder auf. Elvis (»Words«), Sia, Shirin David, Lily Allen — alle smilen. Beach Boy Brian Wilson ist über ein gleichnamiges Album — »Smile« — verrückt geworden.

Ganz so dramatisch geht es bei der Kölner Band Smile nicht zu. Bezüglich des Namens, seien sie eher wie die Jungfrau zum ­Kinde gekommen: »Wir hatten eine lange Liste an Namen; und sind dann auf eine Grafik gestoßen, auf der in großen Lettern SMILE stand«, erzählt die fünfköpfige Band gemeinsam beim abendlichen Interview in einem Bistro, das seine Dekoration seit den 1980ern nicht mehr gewechselt haben dürfte — und der ­Band zuliebe ausnahmsweise Fremd­essen, Tortellini in Sahnesauce, zulässt.


Die Gitarren schneiden sich derweil durch Blech wie in den High-­Times des Post-Punks, der Bass groovt dazu und die Drums sind halt Drums, krachen also, schieben an, manchmal hört man etwas Funk raus

Gestärkt kommen die Mitglieder ins Reden: Die Anfänge der Band liegen irgendwo zwischen Albuquerque in den USA, die Heimatstadt von Sängerin Rubee True ­Fegan, dem vorgebirglichen Alfter, wo Fegan zum Kunst­studium landete, und Bonn-Beuel, wo die Band lange Zeit ihr Domizil hatte. Heute wohnen alle in Köln. Das gilt für Fegan am Gesang und Marius Szarnych (Drums), die beiden Gründungsmitglieder, genauso wie für die drei weiteren Kerle, die nach und nach zur Band stießen: Lars Fritzsche, Sebastian ­Lessel (beide Gitarre) und Max Schmidt (Bass). Jedermensch, der die Band live gesehen hat, kann derweil bestätigen, dass trotz der Boy-Power der Fokus klar auf ­Rubee Fegan liegt. Die 27-jährige Sängerin tritt außerhalb der Band auch als Performance-Künstlerin in Erscheinung. Das gibt ihr die Power, um zwischen den männ­lichen Ins­trumentalisten, die allesamt eine positive Energie versprühen, mit ihrer Schleifpapierstimme und dem ganzen Körper als wütender Derwisch aufzutreten: stets den Songs und ihren Texten ergeben, in der Performance von impo­santem Furor.

Die Gitarren schneiden sich derweil durch Blech wie in den High-Times des Post-Punks, der Bass groovt dazu und die Drums sind halt Drums, krachen, schieben an, manchmal hört man etwas Funk raus. Über allem thronen ­die Lyrics, die sich mit Ab­trei­bungsverboten in den USA und die permanenten Eingriffe in den weiblichen Körper auseinandersetzen; die von den identitären Krisen einer queeren Person berichten; die eine Familien­aufstellung in tanzbarem Song-Format präsentieren. Ein Herz aus Stein, wer da nicht ergriffen wird.

Doch es braucht gar nicht unbedingt das Bild der sich auf die Brust schlagenden und an ihren Klamotten reißenden Fegan, wie nun das Debüt »Price of Progress« beweist: Die Energie, das Intime, das Im­posante — alles übersetzt sich überraschend präzise in die Aufnahmen.

Daran Anteil hat, neben der Band selbst natürlich, der Kölner Produzent Olaf O.P.A.L., der in den letzten Jahren immer wieder mit seinen Mixen und Produktions­­arbeiten glänzte (International Music, Friends of Gas, Nichtseat­tle). O.P.A.L. fängt die ganz eigene ­Dynamik der Band ein in dem er ihr einfach Platz lässt. Im altehrwürdigen Kölner Overstolzenhaus entstand ein Teil der Platte — das Plus an Platz überstrahlt die Intimität des Gesangs dennoch nicht. So innig wurde bisher selten Zorn fabriziert, das eigene Trommelfell wird zur Bühne dieser ­Performance.

Zunächst standen für das Album die Sterne nicht sonderlich gut: Als die Corona-Pandemie welt­weit ausbricht, ist Fegan ge­rade auf »Heimaturlaub« in den USA. Sie steckt fortan ein ganzes Jahr dort fest. Die Instrumentalisten treffen sich in der Zwischenzeit in dem alten Bonn-Beueler Bahnhofs­gebäude, das den Pro­beraum beheimatet. Kann so eine Art der örtlichen Trennung und der Arbeitsteilung gut gehen? »Ich habe das erste Mal Texte für ein Album geschrieben, die Isolation gab mir den Platz mich aus­zudrücken«, erzählt Fegan und ­erweckt den Eindruck, dass in Köln eine gänzlich andere Platte entstanden wäre. Damit wäre die Smile-Debüt-LP tatsächlich eine der wenigen erfreulichen Ergebnisse der Pandemie. Ein hoher, aber nicht ungerechtfertigter Preis (für den Fortschritt).

Album

Smile, »Price of Progress«
(Siluh/Cargo), bereits erschienen.

Konzert

Fr 10.11., Jaki, 20 Uhr
mit Bush Tetras
stadtgarten.de/programm/