Zu lange geschlafen
Dieser Tage zeigt das effektivste Mittel für Nachtruhe am Brüsseler Platz Wirkung: sinkende Temperaturen. Sonst half bislang wenig. Seit 15 Jahren gibt es Streit um den Lärm am »Hotspot« im Belgischen Viertel, an dem im Sommer viele Menschen bis spät in die Nacht zusammenkommen. Seit 2015 verklagen fünf Anwohner die Stadt. Im September bestätigte das Oberverwaltungsgericht Münster ein Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts: »Die Stadt muss effektive Maßnahmen zur Lärmreduzierung auf dem Brüsseler Platz ergreifen«, um die Gesundheit der Anwohner zu schützen. Das Urteil ist eine Klatsche für die Stadt. Das Gericht hält nicht nur die bisherigen Maßnahmen für unzureichend, sondern sprach der Verwaltung sogar den Willen ab, für Ruhe zu sorgen.
Bisher hatte man etwa versucht, vor Ort auf die Nachtruhe hinzuweisen, oder ließ noch nachts den vollen Platz von Kehrfahrzeugen reinigen. Alles ohne Erfolg. Das Gericht schrieb nun zwar keine Maßnahmen vor, nannte aber ein Alkohol- oder Verweilverbot sowie »als letztes Mittel« eine Sperrung des Platzes mit einem Zaun oder einer Hecke als Möglichkeiten.
Die Kritik am zaghaften Verhalten der Stadt ist berechtigt. Doch die Probleme liegen zu tief, als dass man sie kurzfristig mit Ordnungspolitik lösen könnte. Während man versucht, die Symptome zu lindern, verschlimmern sich seit Jahren dessen Ursachen. Dass immer mehr Menschen ihre Freizeit auf öffentlichen Plätzen verbringen, ist etwa ein Ergebnis verfehlter Wohnungspolitik. Gerade junge Menschen leben auf immer weniger Raum — bei steigenden Mieten. Sie finden zudem immer weniger Orte ohne Konsumzwang. Die Gastronomie bezeichnet sich zwar als »Teil der Lösung«, ist aber auch Teil des Problems. Zuletzt wurden den Betrieben mehr Flächen zugeschlagen. Menschen, die kein Geld haben, um sich ein Bier vom Fass servieren zu lassen, hilft das jedoch nicht. Während aber neue Gastro-Terrassen entstanden, werden unkommerzielle Flächen in zentraler Lage seltener.
Selbst wenn es der Stadt also gelänge, für Ruhe am Brüsseler Platz zu sorgen, würde sie die Menschen, die sich dort aufhalten, bloß verdrängen. Schon heute gibt es um den Neusser Platz im Agnesviertel oder die Mäuerchen an Stadtgarten und Zülpicher Straße vergleichbare Debatten.