Dufte Party, aber wer ist hier eigentlich der Veranstalter? Sessionseröffnung im vergangenen Jahr

Clever saufen mit Handy-App

Vor dem 11.11. gibt es kein ausreichendes Konzept, das drohende Chaos zu verhindern

Noch vor wenigen Jahren war für Gastronomen im Kwartier Latäng der 11. 11. das Geschäft des Jahres. Mittlerweile schließen viele Kneipen zum Sessionsauftakt. Seit Jahren hat die Stadt Köln mit den Auswüchsen des Karnevals zu tun. Die Konzepte, um den Party-Tourismus im Kwartier einzuhegen, sind unzureichend. Auch in diesem Jahr, wenn der 11.11. auf einen Samstag fällt. Zwar steht bei Redaktionsschluss nicht abschließend fest, welche Maßnahmen das Ordnungsamt ergreifen wird. Doch neue Konzepte sind nicht in Sicht, die Stadt Köln wird stattdessen wieder die Uniwiesen — ein Landschaftsschutzgebiet — als »Ausweichfläche« nutzen, wenn der Ansturm zu groß wird. Umweltschützer und Teile der ­Politik wollten das verhindern.

Außerdem sollen die Massen mit Handy-Apps gelenkt werden, und eine Influencer-Kampagne in den Sozialen Medien soll für »Respekt« im Karneval sorgen. Kurzfristig bemüht sich die Stadt nun auch um »alternative dezentrale Angebote«. Etliche Teilnehmer am Runden Tisch Karneval sind unzufrieden, Wirte befürchten Chaos. Während im vergangenen Straßenkarneval Köln nur knapp an einer Katastrophe vorbeischlitterte, war die Stadtspitze zufrieden: Das Sicherheitskonzept sei »aufgegangen«, so Stadtdirektorin Andrea Blome.

Doch ohnehin scheint in Blomes Dezernat der Blick zurück mehr Sorge zu machen als das, was ­womöglich bevorsteht. In einem internen Bericht des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) sind zahlreiche Verstöße des Ordnungsamts und der von ihm beauftragten Sicherheitsfirmen gegen gesetzliche und vertragliche Regelungen seit 2018 dokumentiert. Es geht um intransparente Geldzahlungen, ein Geflecht von rund dreißig bis zu vierfach hintereinandergeschalteten Subunternehmen, aber auch um unzureichende Arbeitsbedingungen und mangelnde Qualifikation von Sicherheitskräften (siehe Stadtrevue 10/2023).

Blome gibt an, sie sei erst im ­Sommer über die Ergebnisse des Prüfberichts informiert worden. Die Untersuchung lief da schon zwei Jahre, samt Gesprächen im Amt. »Wenn die Untersuchung schon so lange läuft und es auch immer wieder Gespräche zwischen den Prüfern und dem Ordnungsamt gab, warum ist Frau Blome dann erst so spät informiert worden?«, so Ralf Unna (Grüne), Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses. Das fragen sich nun ­viele im Rathaus. Agierte das Ordnungsamt eigen­mächtig und an Blome vorbei?

»Das Thema ist sehr komplex«, sagt Jörg Detjen (Linke), Vorsitzen­der des RPA. Er sieht das Problem hauptsächlich in dem System von Subunternehmen, verbunden mit schlechten Arbeitsbedingungen und mangelnder Qualifikation. Detjen will »dieses System der Sicher­heitsfirmen durchleuchten und zerschlagen, nicht einzelne Personen in den Fokus stellen«.

Im vergangenen Straßenkarneval schlitterte Köln nur knapp an einer Katastrophe vorbei, aber die Stadtspitze war zufrieden

Ralf Unna kritisiert das: »Es geht jetzt doch darum, die Vorgänge hier aufzuklären und die Verantwortlichen zu finden — und nicht als erstes eine Grundsatzdebatte über Mängel im ­System der Sicherheitsdienstleistungen in Deutschland zu führen.« Unna drängt auch darauf, Blomes Vorgänger Stefan Keller, heute für die CDU Oberbürgermeister in Düsseldorf, einzuladen, in dessen Amtszeit laut Prüfbericht auch Verstöße im Ordnungsamt fallen.

Die Stadt arbeitet derweil weiter mit Sicherheitsfirmen, gegen die Vorwürfe erhoben wurden — zu wenig Zeit bleibt bis zum 11.11. Detjen kann das daher nachvollziehen, betont aber: »Die Prüfung aller Subunternehmen muss diesmal vorher unbedingt gewährleistet sein, um die Sicherheit garantieren zu können.« Doch viele Bürger, aber auch Politiker halten das nicht für ausreichend. Am Runden Tisch Karneval ist kein neues Konzept entwickelt worden, den Ansturm auf das Kwartier Latäng abzumildern. Neue, attraktive Veranstaltungen an anderen Orten, um Hotspots zu entlasten, gibt es nicht.

Die Stadt Köln müsse endlich die Rolle als Veranstalterin des Straßenkarnevals annehmen, nicht nur als Ordnungsbehörde, sagen sowohl Jörg Detjen als auch Ralf Unna. Doch die Stadt Köln scheut den damit verbundenen Aufwand und die Kosten.

Unterdessen demonstrierte die Bürgergemeinschaft Rathenauplatz vor dem Rathaus gegen die aus ihrer Sicht mangelnde ­Bemühung, das Chaos am 11.11. einzudämmen. Sie forderte auch Entschädigungen für Anwohner, die in den vergangenen Jahren am Sessionsauftakt teils ihre Häuser nicht mehr verlassen konnten.