Lächeln für Millionen, © 1952/2017 Shochiku Co., Ltd.

Wenn das Licht ausgeht

Aufwachen mit Ozu Yasujirō

Auf der ganzen Welt laufen dieser Tage Retrospektiven des Schaffens von Ozu Yasujirō, dessen 120. Geburtstag und 60. Todestag sich im Dezember jähren. Da das Japanische Kulturinstitut (JKI) durch die Dekaden immer wieder Ozu-Schauen präsentierte und so  sein Schaffen in Köln gegenwärtig gehalten hat, sei es den Verantwortlichen verziehen, dass sie ab November nicht alles Verfügbare ­zeigen, sondern nur eine Handvoll der Geniestreiche. Während die sechs Ozu-Filme auch durch den Rest der Republik touren, wird hier zusätzlich noch Wim Wenders’ essayistische ­Spurensuche »Tokyo-ga« von 1985 zu sehen sein — der in gewisser Hinsicht ­genauso auf dem Wissens- wie Glaubensstand seiner Zeit war, wie nun Wenders’ zweiter Versuch über Ozu, der im Dezember startende »Perfect Days«, die Entwicklungen seither widerspiegelt. Die JKI-Zusammenstellung ist sehr auf Ozus Nachkriegsschaffen fokussiert. Immerhin gibt es einen Stummfilm zu sehen: den nicht Ozu-typischen »Eine Frau in der Gefahrenzone« (1933), ein ­Melodram unter sehr modernen Gangstern. Die frühen Tonfilme, vor allem seine Werke aus der Kriegszeit, fehlen in der Liste. Aber mit »Der Geschmack von grünem Tee über Reis« (1952) ist ein Film dabei, ­dessen Wurzeln bis in jene Jahre reichen, handelt es sich doch um die x-te Bearbeitung eines Drehbuchs, das ein ­Versuch zur Heimatfront werden sollte, von der Zensur jedoch mehrfach wegen Subversion beziehungsweise ­Defätismus abgelehnt worden war.

Erfreulich, dass mit »Ein Huhn im Wind« (1948) ­einer ­seiner zwei Trümmerfilme den Weg ins Programm fand. Auch wenn es das Trümmerfilm-Genre in Japan offiziell nicht gab, zeigt sich doch in dessen ungewöhnlich rauen Stil, wie sehr Ozu sich seines Auftrags als Zeitzeuge bewusst war. Es ist nämlich so: Jene Abermillionen von Japaner*innen, die in der Nachkriegszeit fast jedes seiner Werke zu einem gigantischen Kassenerfolg machten, liebten dieses Kino nicht wegen seiner formalistischen Eigenheiten, sondern weil sie ihr eigenes Leben darin zugespitzt sahen — darge­boten von einem Men­schen, der nicht anders war als sie selbst. Denn auch dafür gingen die Leute früher einmal ins Kino: Nicht nur zum Träumen, sondern auch zum Erwachen.

Mehr zum Programm auf jki.de