Weltkulturerbe kölscher Karneval: Die Session ist eröffnet!

»Komplett voll«

Das war der Elfte Elfte in Kölle: die einen besoffen, die andern betroffen

Die Jecken konnten es kaum erwarten. Zum Sessionsbeginn am 11. November, einem sonnigen Samstag, meldet die Stadt bereits um 9.32 Uhr: »Die Zülpicher Straße ist voll, bis auf Weiteres sind alle Zugänge gesperrt. Alle Jecken werden gebeten, in anderen Veedeln zu feiern.« Bloß schlagen die Jecken diese Bitte aus. Um 10.15 Uhr ist der Heumarkt »komplett ausgelastet«, eine halbe Stunde später die gesamte Altstadt.

Bei der Stadt Köln ist die Stimmung, anders als in den »Feier-Hotspots«, auch nach 17 Uhr noch heiter: »Am Elften im Elften haben sich nicht nur die Jeckinnen und Jecken abgeschleppt, sondern auch das Ordnungsamt hat beim Abschleppen mitgemischt«, so eine Pressemitteilung. Es folgen Zahlen zu abgeschleppten PKW.

Bei vielen Kölnern verstärkt sich der Eindruck, dass die Stadtspitze die Folgen des Elften Elften nicht sonderlich umtreibt. Zwar gibt es seit Jahren den Runden Tisch Karneval und viele Ideen — bloß umgesetzt wird nichts. »Nun hoffen wir, dass für den Straßenkarneval einige bereits vorliegende Konzepte umgesetzt werden können«, sagt Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn. »Köln muss weg von der alleinigen Gefahrenabwehr und hin zu echten Alternativen, die das Geschehen im Kwartier Latäng entzerren.« Doch die Stadtspitze sperrt sich dagegen, als Veranstalterin aufzutreten, auch das Festkomitee fühlt sich nicht zuständig. Köln hat die Kontrolle verloren.

Die Feuerwehr rückte fast dreißigmal aus, die Rettungsdienste hatten 390 Einsätze, allein im Kwartier gab es an den Hilfsstellen 255 Behandlungen, 62 Menschen kamen ins Krankenhaus, weitere 166 mussten in den Straßen behandelt werden.

Stadtbahnen fielen aus, Haltestellen konnten nicht angefahren werden, der Hauptbahnhof wurdezeitweilig gesperrt. Die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) sprechen von 20 Prozent mehr Müll als im Vorjahr, Scherben in Parks oder im Aachener Weiher konnten teils nicht entfernt werden. Der Hiroshima-Nagasaki-Park war völlig vermüllt, Pflanzen zertrampelt.

Helmut Röscheisen aus dem Vorstand des BUND Köln sagt: ­»Diese exzessive Form von Massenevent steht gegen das Gemeinwohl.« Er verweist darauf, dass der Grüngürtel ein Landschaftsschutzgebiet sei. Der BUND hat sich an die Bezirksregierung als Obere Naturschutzbehörde gewandt, auch ein Bürgerbegehren wurde diskutiert. »Ich würde mir auch von den Grünen und dem Umweltdezernenten eine deutliche Positionierung wünschen«, so Röscheisen.

Schon länger regt der BUND an, dass die Feiern auf der Nord-Süd-Fahrt stattfinden sollen. Ausgerechnet Festkomitee-Präsident Kuckelkorn hat dort 2019 und 2022 das »strassenland«-Festival zum Thema Energie und Klima organisiert. Aber der Vorschlag des BUND wurde abgelehnt, weil das Publikum ein anderes sei, sprich: völlig besoffen. »Wenn das alles nicht geht, dann muss man halt das Kwartier und den Grüngürtel komplett absperren. Dann sehen die Leute, dass man sich hier nicht so benehmen kann«, so Röscheisen. Wie viele Kritiker findet er, dass es in der Stadtverwaltung eine ständige Stabsstelle Karneval geben müsse.

Anfang Februar ist Weiberfastnacht. Jetzt sind wieder neue Büh­nen im Gespräch, um das Uni-Viertel zu entlasten. OB Henriette Reker denkt an die Schaafenstraße, ist sich aber nicht sicher, ob dadurch nicht noch mehr Menschen angelockt würden. Diese Zweifel begleiteten bislang alle Vorschläge. Scheinbar ist auch kein Ort in Köln geeignet: Die Ringe sind zu eng, und der Stadtbahnbetrieb würde noch mehr gestört. Die Messe in Deutz: zu weit entfernt vom Zen­trum. Nun werden Stimmen laut, man könne die Innere Kanalstraße auf Höhe der Uni sperren. Viele Ideen — und viele Argumente da­gegen. Und so hat es den Anschein, dass auch Anfang Februar wieder alles so sein wird, wie gehabt.