Paul Auster »Baumgartner«
Verlust, Trauer, Liebe, Erinnerung, Einsamkeit, Alter. Um diese Themen mäandert Austers neuster, memoirenhafter Kurzroman. Er beginnt furios, beinahe slapstickhaft: Der 70-jährige Baumgartner, dessen geliebte Ehefrau vor einem Jahrzehnt überraschend gestorben ist, will eigentlich nur ein Buch aus einem anderen Zimmer holen. Dabei verbrennt der Philosophieprofessor sich an einem vergessenen Topf auf dem Herd, erfährt kurz darauf, dass der Mann der Putzfrau sich zwei Finger abgesägt hat und stürzt schließlich die Kellertreppe hinunter. Infolge der Ereignisse begreift der von Trauer paralysierte Witwer endlich: »Leben heißt Schmerz empfinden und in Angst vor Schmerz zu leben, heißt das Leben verweigern.« Und dann — Gänsehautmoment — klingelt wieder einmal ein Telefon in einem von Austers Romanen. Es ist das abgemeldete Gerät im Arbeitszimmer seiner verstorbenen Frau. Sie erzählt ihm von ihrer »sich selbst bewussten Nichtexistenz« nach dem Tod. Diese beinahe religiöse Erfahrung gibt Baumgartner die Freiheit, sich nicht mehr nur in Erinnerungen zu verlieren. Kaum ein anderer Autor vermag derart schwarze Löcher in die vermeintliche Realität zu bohren und es bleibt zu hoffen, dass Auster, der an Krebs erkrankt ist, dieser Welt noch lange erhalten bleibt.