Aufbruch in eine neue Welt
»Ich bin in existenzieller Hinsicht auf der Flucht«, erklärt die Schriftstellerin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga in der Einleitung ihres zuletzt veröffentlichten Essaybandes »Schwarz und Frau«. »Ich bin es, seit ich aus dem Bauch meiner Mutter kam, und war es wahrscheinlich schon davor angesichts der Umstände, in die ich hineingeboren wurde.« Geboren wurde Dangarembga 1959 in Simbabwe, damals noch Teil der britischen Kolonie Rhodesien. Im Kindesalter zieht die Familie für das Studium der Eltern nach England, kehrt im Anschluss jedoch wieder zurück — genauso wie die Autorin nach einem abgebrochenen Studium in Cambridge. Als Dangarembga in den 80er Jahren ihr Filmstudium in Berlin aufnimmt, hat sie ihren ersten Roman »Aufbrechen« bereits geschrieben, allerdings noch ohne Verlag. Erst Jahre später wird er zu einem weltweiten Publikumserfolg werden. Heute zählt Dangarembga zu den mutigsten Stimmen Simbabwes.
Mit »Aufbrechen« beginnt Dangarembgas Roman-Trilogie, die von der Bildungsgeschichte einer heranwachsenden Frau aus einem verarmten Dorf in Simbabwe erzählt. Im Laufe ihres Lebens sieht sich die Protagonistin Tambudzai immer wieder mit den Widrigkeiten patriarchaler Strukturen der Kolonialmächte konfrontiert, die sich in der postkolonialen Gesellschaft des Landes fortschreiben. Auch die Autorin weiß von diesen Unterdrückungsmechanismen zu berichten. Im Juli 2020, nur wenige Tage nachdem der letzte Band ihrer Trilogie für den Booker Prize nominiert wurde, wird Dangarembga in Harare inhaftiert, weil sie am Straßenrand friedlich gegen die Staatskorruption Simbabwes demonstrierte. Die Geschichte und Intersektionalität Schwarzer Frauen in postkolonialen Gesellschaften, sie sind auch das Thema in Dangarembgas sehr persönlicher Essaysammlung. Die Sprache ist dabei ihr wichtigstes Instrument der Selbstermächtigung: »Das Schreiben versichert mir, dass ich mehr bin als schwarz und eine Frau. Schreiben versichert mir, dass ich existiere.«
Und weil Dangarembga vom Existenziellsten ausgeht, reicht ihr eine einfache Umverteilung patriarchaler Güter zur Überwindung kolonialer und postkolonialer Zuschreibungen nicht. Wir müssen neue Gedanken fassen, uns anderer Werte- und Wissenssysteme bedienen, um unsere Zukunft neu zu denken, schreibt sie: »Dekolonisierung, die alle von Furcht befreit, erfordert eine neue Revolution der Fantasie und dessen, was sie diskursiv hervorbringt.«
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